Die barocke Gartenanlage von Schloss Angern verfügte über ein bemerkenswert vielschichtiges Wassersystem, das sowohl funktionale als auch repräsentative Zwecke erfüllte. Die Anlage basierte auf zwei miteinander verbundenen Elementen: einem historischen Wassergraben und dem südlich vorgelagerten „Bruch“. Der Bruch war ursprünglich ein unerschlossenes, versumpftes Gelände. In einem späteren Bericht heißt es:
„wo anjetzo der Lustgarten, ist vordem ein Bruch gewesen, worinnen man wie auch im Hofe viele tote Körper gefunden, auch Kugeln und Kriegs-Arematouren, welches eine Kundschaft anzeiget, daß es zu Bataille und blutigem Gefecht gekommen sei“ (Rep. H Angern Nr. 444).
Vom Bruch zum Lustgarten: Wasserarchitektur in Angern
Christoph Daniel von der Schulenburg ließ dieses Gelände um 1738 planieren, regulieren und in eine symmetrische Gartenanlage mit Wasserführung umgestalten. Der alte Burggraben, der einst die mittelalterliche Hauptburg umgab, wurde mit einer steinernen Mauer eingefasst und als Fischgewässer für die Schlossküche reaktiviert. Eine Öffnung zum Wirtschaftshof erlaubte das Einziehen von Netzen – ein Hinweis auf die enge Verzahnung von Ästhetik, Versorgung und wirtschaftlicher Nutzung. Die gesamte barocke Wasserarchitektur resultierte somit aus der gezielten Umformung des ehemaligen Bruchs zu einem zentralen Gestaltungselement der Schlossanlage. Sie zeugt von der Fähigkeit barocker Landschaftskunst, aus einem Ort der Kriegsverwüstung einen Raum für Ordnung, Repräsentation und ökonomische Funktion zu schaffen.
Zum anderen ergänzten zwei rechteckige, formale Teiche im südlichen Gartenteil das System. Sie erfüllten sowohl ästhetische Funktionen im Sinne barocker Gartensymmetrie als auch praktische Aufgaben der Fischzucht und Gartenbewässerung. Ihre Einbindung in ein unterirdisches Leitungssystem mit einer Verbindung zum Wassergraben ist in der Pro Memoria detailliert beschrieben:
„Das Waßer aus denen beyden Teichen im Garten soll in diesen Graben geführt werden […]“ (Memoire, Punkt 2)
Die Teiche waren mit einem sogenannten Grundzapfen zur Wasserregulierung ausgestattet, mit steinernen Treppen versehen (Punkt 23) und entlang der Ufer mit Rasenziegeln sowie Holzbohlen eingefasst (Punkt 24). Diese Gestaltungsweise verbindet Naturbild und Nützlichkeit in exemplarischer Weise und verweist auf die hohen gestalterischen und ingenieurtechnischen Ambitionen des Bauherrn. Insgesamt zeigt sich ein raffiniertes Zusammenspiel von Landschaftsumformung, symbolischer Repräsentation und funktionaler Infrastruktur, wie es typisch für den Gutsherrenadel im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus war.
Gartenteiche und Grabenverbindung
In Punkt 2 der Pro Memoria beschreibt Schulenburg die Verbindung dieser Teiche mit einem neu zu schaffenden Graben:
„Das Waßer aus denen beyden Teichen im Garten soll in diesen Graben geführt werden, darum muß […] von starcken Elsen oder so man diese nicht hat von Eichen Rinnen ausgehauen […] unter der Erde […] neben dem GitterThore durch […] gelegt werden.“ (Memoire, Punkt 2)
Diese Passage belegt das Vorhandensein eines unterirdischen Leitungssystems, das durch ausgehöhlte Baumstämme (Elsen oder Eichen) realisiert werden sollte – eine gängige Technik der Zeit. Die Leitung führte vom Grundzapfen eines Teiches (einer regulierbaren Abflussöffnung) unter dem Garten hindurch in einen neu anzulegenden Graben hinter der östlichen Gartenmauer. In Punkt 3 wird betont, dass der Aushub für die inneren Gartenwege aus diesem Graben entnommen werden soll:
„Die Grabens […] sollen mit der Erde […] aus diesem aufzumachenden Graben […] zugegekarret werden, welches aber eher nicht geschehen muß, bis die Rennen gelegt […] damit das Wasser seinen ordenti. Abfluß behält.“ (Memoire, Punkt 3)
Der Begriff „Rennen“ bezeichnet hier die unterirdisch verlegten Leitungen – sie sind das technische Rückgrat der Wasserführung. Ihre sorgfältige Verlegung war Voraussetzung dafür, dass die anschließenden Gartenwege nicht zu früh verfüllt und damit das Gefälle oder der Wasserabfluss gestört wurden.
Die südlichen Gartenteiche – Nutzung und Ästhetik
Im südwestlichen Teil des ummauerten Gartens lagen zwei rechteckige Teiche, die im Pro Memoria mehrfach erwähnt und in das technische Wasserführungssystem eingebunden wurden. Bereits in Punkt 2 wird ihre Rolle innerhalb des Grabensystems deutlich:
„Das Waßer aus denen beyden Teichen im Garten soll in diesen Graben geführt werden, darum muß […] von Eichen Rinnen ausgehauen, und unter der Erde […] neben dem GitterThore durch, in besagten Graben hinter der Mauer hinein gelegt werden.“ (Memoire, Punkt 2)
Diese unterirdische Ableitung verband die Teiche funktional mit einem neu anzulegenden Graben, der entlang der Gartenmauer verlief. Auch in der Planung der Gartenachsen spielten sie eine Rolle:
„Diese Allee so bey dem Thor und dem Thier Garten angefangen, mus so weit es möglich bis gegen die Teiche zu continuiret werden.“ (Memoire, Punkt 6)
„[…] durch den Durchschnitt, so Sie durch der langen Allee so von den Teichen nach dem Thier Garten zu gehet […]“ (Memoire, Punkt 9)
Obwohl diese Allee auf der späteren Karte nicht zu sehen ist – und daher wohl nicht realisiert wurde – zeigen die Textstellen, dass die Teiche ursprünglich Endpunkte einer zentralen Sichtachse sein sollten. Die Nutzung der Teiche war jedoch nicht nur ästhetisch motiviert. In Punkt 23 wird ausdrücklich auf ihre Funktion als Fischteiche hingewiesen:
„[…] damit wann der Teich mahl wieder mit fischen besetzet, man alda 2 Auszüge zum Fischen habe […], ingl. auch daß man zum Begießen, das Waßer alda commodement holen könne.“ (Memoire, Punkt 23)
Diese Stelle belegt die Doppelfunktion der Teiche: als Fischgewässer und als Reservoir für Gartenbewässerung. Die Ufergestaltung kombinierte Holz- und Rasenelemente:
„[…] nicht gantz wieder bis oben auf, sondern nur so weit als das Waßer zu steigen pfleget mit Brettern, den Rest aber mit guten Frischen und Grünen Raaßen besetzen.“ (Memoire, Punkt 24)
Diese Mischung aus natürlichem Bewuchs und gezielter Befestigung ist typisch für barocke Wassergestaltung, die das „Kunstvolle im Natürlich-Anmutenden“ suchte.
Der Wassergraben – Schlossinszenierung und Schutzsymbolik
Neben den Gartenteichen gab es ein zweites, eigenständiges Wassersystem: den Wassergraben rund um das Schloss, der in mehreren Passagen des Textes ebenfalls als „Teich“ bezeichnet wird. Dieser Graben war ursprünglich Teil der mittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen Wehrarchitektur, wurde aber im Barock in das landschaftliche Gestaltungskonzept integriert. In Punkt 23 des Memoire ist von der „Teich Mauer“ die Rede:
„[…] die Teich Mauer wieder aufgenommen und daselbst Steinerne Treppen bis an den Teich hinunter gemachet werden […]“ (Memoire, Punkt 23)
Gemeint ist hier wohl nicht einer der südlichen Gartenteiche, sondern die massive Mauer am Schlossgraben, die durch steinerne Treppen zugänglich gemacht werden sollte – ein Element, das gleichzeitig funktional und repräsentativ war. Auch in Punkt 25 wird deutlich, dass die Terrassen nördlich des Schlosses in Bezug zu diesem Graben stehen:
„[…] so wohl gegen des Ambtmans Hauß, als über den Teich bis über den Grundzapffen herunter […]“ (Memoire, Punkt 25)
Die hier erwähnte Mauer sollte das Absacken der Terrassen verhindern und vor Erdmäusen schützen – ein Problem, das vor allem an den böschungsgleichen Grabenrändern auftreten konnte.
Fazit
Die Wasserarchitektur von Schloss Angern offenbart eine bemerkenswerte Synthese aus Funktionalität, Symbolik und gestalterischer Kontrolle. Der aus einem ehemaligen Bruch entwickelte Lustgarten, der gefasste Schlossgraben und die streng symmetrisch angelegten Gartenteiche bilden ein aufeinander abgestimmtes System barocker Rauminszenierung. Dabei zeigt sich, wie Wasser nicht nur als Versorgungs- und Wirtschaftsfaktor, sondern als zentrales Medium herrschaftlicher Repräsentation verstanden wurde. Die Anlage veranschaulicht exemplarisch, wie Gutsherrschaft im 18. Jahrhundert durch ingenieurtechnische Planung, ästhetische Ordnung und ökonomische Nutzbarkeit sichtbar gemacht wurde – eingebettet in das größere Programm einer barocken Kultivierung der Landschaft.
Quelle
Die vorliegende Darstellung stützt sich auf eine Transkription durch die Angerner Dorfchronistin Brigitte Kofahl, deren Arbeiten eine wichtige Grundlage für die Erschließung des Gutsarchivs bilden.
- Gutsarchiv Angern, Rep H Nr. 409, Blatt 19-22 "Memoire, wie der Garten anzulegen und einzurichten" (1745)
- Gutsarchiv Angern, Rep H Nr n76, Punkt 2, 23 und 24 der „Pro Memoria wegen der bey dem Schloß Angern zu errichtenden Gebäude“ (1738)