Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt.

Im Juli 1631 wurde die Burg Angern im Rahmen einer gezielten Strafaktion kaiserlicher Truppen unter Heinrich von Holk, einem berüchtigten Anführer, der nach seinem Eintritt in kaiserliche Dienste protestantisch geprägte Gebiete hart traf, schwer zerstört. Der achtgeschossige Bergfried diente als Zufluchtsort für zahlreiche Menschen aus umliegenden Orten, „wo in dem 30jährigen Krieg sich viele fremde Örter hin salviret“ (Rep. H Nr. 444), was seine soziale und militärische Bedeutung unterstrich. Trotz traditioneller Verteidigungsmaßnahmen wie Ziehbrücken, Vorratslager und Schießscharten konnte die kleine Besatzung dem schnellen, mobilen Angriff Holkscher Reitereinheiten nichts entgegensetzen. Die Hauptburg, inklusive Palas, Ringmauer und Bergfried, konnte dem Angriff mit Musketen und Brandmitteln nicht standhalten und wurde bis auf die Palas-Gewölbe im Erdgeschoss, das Erdgeschoss es Bergfrieds und angrenzender Gewölbe auf der Turminsel weitgehend zerstört wurde. Eine Quelle berichtet von zahlreichen menschlichen Überresten, Kugeln und Kriegsausrüstung,

„worinnen man wie auch im Hofe viele tote Körper gefunden, auch Kugeln und Kriegs-Arematouren“ (ebd.),

was die Heftigkeit der Gefechte belegt. Die Zerstörung war Teil einer systematischen Strategie, wie es heißt:

„…daß es zu Bataille und blutigem Gefecht gekommen sei“ (ebd.).

Die Angriffe dienten der militärischen Schwächung protestantischer Territorien im Vorfeld der schwedischen Offensive, der materiellen Versorgung der Truppen durch Plünderungen sowie der psychologischen Einschüchterung der Bevölkerung. Die nachhaltigen Schäden anBefestigungsanlagen und Infrastruktur führten zu einem tiefgreifenden Wandel in den Herrschaftsverhältnissen der Altmark nach dem Krieg.

Nachdem die Burg, sämtliche Gutsgebäude, das gesamte Dorf und die Kirche anno 1626 während des Dreißigjährigen Krieges mehrfach in Flammen aufgingen und stark verwüstet wurden, lag Angern bis Kriegsende wüst.

Das Gut blieb jedoch bis 1738 im Besitz des älteren Zweigs der Familie von der Schulenburg, wobei die Besitzer zumeist nicht in Angern lebten und das Gut von einem Amtmann verwaltet wurde.

Von den verheerenden Kriegsschäden erholte sich der Ort Angern nur langsam. Zeitweise wird berichtet, dass „keine einzige Seele vor Ort“ lebte, was auf eine völlige Entvölkerung hindeutet. Aufgrund des Mangels an Arbeitskräften war eine Ackerbestellung praktisch unmöglich, was die wirtschaftliche Grundlage des Ortes nachhaltig zerstörte. Auch umliegende Orte wie Wenddorf, Schricke und Kehnert wurden in ähnlicher Weise von den Soldaten General Fuchs vollständig niedergebrannt, wodurch das gesamte regionale Gefüge stark beeinträchtigt wurde (vgl. Dorfchronik Angern, Brigitte Kofahl).

Diese Katastrophe traf Henning (III) von der Schulenburg, der in Angern wohnte, besonders hart und verschärfte die Herausforderungen der Wiederaufbau- und Verwaltungsarbeit. Nach ihm waren Heinrich (XI) (1621–1691), Matthias Daniel (1653–1713), Friedrich August (1672–1718) und Heinrich Hartwig (1677–1734) Besitzer von Schloss Angern. Zwischen 1693 und 1723 gehörte auch das Lehngut Mahlwinkel zum Besitz.

Zur wirtschaftlichen Bedeutung von Angern vor dem Krieg und den Folgen für die Marktrechte heißt es in den Quellen:

„Angern hat vordem auch Jahr- und Wochenmarkt gehalten, und ist durch den Brand so ruinieret, daß solches rückständig geblieben und eingegangen.“ (Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 444)

Dieser Verlust der Marktrechte war ein einschneidendes ökonomisches Ereignis, da Jahr- und Wochenmärkte für die Versorgung, den Handel und die soziale Vernetzung in der Region von großer Bedeutung waren. Das Erlöschen dieser Märkte durch den Brand und die kriegsbedingte Zerstörung bedeutete nicht nur einen wirtschaftlichen Rückschlag, sondern auch einen gesellschaftlichen Bedeutungsverlust Angerns.

Laut einem Dienstbuch des Gutes aus 1674 gehörten zu dieser Zeit sechs dienstbare Kossatenhöfe in Angern zur Vergunst. Die Besitzer waren Heinrich Schmidt (Schulze), Heinrich Patze, Hans Bauer, Claus Cöppe und Hans Heinrich Triesmann. Ein weiterer Hof, der Carsten Müller gehört hatte, war zu der Zeit unbewohnt. 1676 übernahm Andreas Ritztorff den Hof, der weiterhin als "Müllers Haus" bezeichnet wurde. Die Kossaten leisteten Handdienste: zwei Tage pro Woche, während der Erntezeit drei Tage. Zusätzlich mussten sie Harker und Binder stellen, während das Gut eigenes Gesinde und Tagelöhner beschäftigte. Freie Untertanen waren ebenfalls zu Handdiensten verpflichtet und erhielten Verpflegung, darunter warme Mahlzeiten und Bier.

Im Winter wurden Holz geschlagen, Lehmwände in Wohnungen und Ställen erneuert sowie Zäune aus Haselruten gebaut. 1677 wurde eine neue Scheune gebaut, nachdem die alte im Winter eingestürzt war. Dabei wurden Eichen aus dem Ramstedter Forst genutzt, und alle verfügbaren Männer halfen beim Bau.

Während des Spanischen Erbfolgekriegs (1701–1714) war die verbliebene Burganlage in Angern auch im frühen 18. Jahrhundert von militärstrategischer Bedeutung. Im Jahr 1705 wurde ein Detachement des K.u.k. Böhmischen Dragoner-Regiments "Graf Paar" Nr. 2 zur Verteidigung der Anlage und zur Sicherung des umliegenden Gebiets abgestellt. Dragoner waren berittene Truppen, die sowohl als leichte Kavallerie für Aufklärung und schnelle Angriffe als auch für den Kampf zu Fuß eingesetzt wurden. Die Stationierung einer solchen Einheit in Angern verdeutlicht, dass die Burg noch immer eine wichtige Rolle in der regionalen Verteidigungs- und Kontrollstruktur innehatte. Diese Maßnahme fiel in eine Zeit, in der der Spanische Erbfolgekrieg ganz Europa erfasste und zahlreiche territoriale Konflikte im Heiligen Römischen Reich mit lokalen Machtverschiebungen einhergingen. Die militärische Präsenz in Angern sollte nicht nur die Burg selbst schützen, sondern auch wichtige Verkehrswege und Nachbargebiete überwachen, die im Krieg von strategischer Bedeutung waren. Die Entscheidung, Teile des Dragoner-Regiments „Graf Paar“ in Angern zu stationieren, lässt sich somit als Ausdruck der fortdauernden Bedeutung der Burg als militärisches und administratives Zentrum interpretieren, das auch nach den schweren Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges eine zentrale Rolle in der Herrschaftsstruktur der Region spielte.

Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Schloss Angern – Baugeschichte, Raumbild und kultureller Wandel zwischen Mittelalter, Barock und Klassizismus. Die Geschichte von Schloss Angern in der Altmark ist ein exemplarisches Zeugnis adeliger Bau- und Lebensformen im Wandel der Jahrhunderte. Als aus einer hochmittelalterlichen Wasserburg hervorgegangenes Gutsschloss vereint die Anlage bauliche Schichten aus drei Epochen: der Gründungsphase um 1340, dem barocken Ausbau unter Generalleutnant Christoph Daniel von der Schulenburg ab 1738 und der klassizistischen Umformung durch Edo Graf von der Schulenburg um 1843. Die erhaltene Raumstruktur mit Hauptinsel, Turminsel und Vorburg, die Integration mittelalterlicher Gewölbe, die klar gegliederte barocke Raumordnung und die klassizistische Repräsentationskultur des 19. Jahrhunderts machen Schloss Angern zu einem einzigartigen Zeugnis ländlicher Adelskultur in Mitteldeutschland. Die Architektur erzählt von militärischer Funktion, gutsherrlicher Selbstvergewisserung und bürgerlich-rationaler Modernisierung – ein Ensemble, das in seiner Vielschichtigkeit die Transformationsprozesse adliger Repräsentation zwischen Spätmittelalter und Moderne sichtbar macht.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1850
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg im Sommer 1631 durch den Einfall des Holk'schen Regiments – blieben das Erdgeschoss es Palas und der Turm mit mehreren Etagen sowie auch die Tonnengewölbe neben dem Turm erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste laut Quellenbefund drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Baupolitik, Raumordnung und Repräsentation auf dem Rittergut Angern um 1734 – Eine Analyse des "Pro Memoria" Christoph Daniel von der Schulenburg im Kontext vergleichbarer Gutsherrschaften. Das Gutsarchiv Angern überliefert mit 31-Punkte umfassenden "Pro Memoria" von 1734 (Rep. H Angern Nr. 409) ein einzigartiges Zeugnis adliger Planungspraxis im 18. Jahrhundert. Christoph Daniel von der Schulenburg, königlich sardischer General und Besitzer des Ritterguts Angern, skizziert darin die umfassende Neugestaltung seiner Besitzung. Das Dokument gewährt Einblick in eine administrative Rationalisierung, ästhetisch-repräsentative Raumgestaltung und die materiellen wie sozialen Strukturen eines barocken Gutes. Im Folgenden wird dieses Bauprogramm analysiert und mit zeitgleichen Gutsherrschaften in Brandenburg-Preußen und Norddeutschland verglichen.
Finanzielle Lasten und Investitionsprioritäten beim Schlossbau in Angern – Eine Analyse der Ausgabenbilanz von 1737. Die Ausgabenbilanz vom 24. Mai 1737 stellt ein aufschlussreiches Dokument über die ökonomischen Rahmenbedingungen und Prioritätensetzungen während der frühen Phase des barocken Schlossbaus in Angern dar. Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg , der damalige Besitzer des Ritterguts, ließ die Anlage ab 1735 unter erheblichen finanziellen Aufwendungen neu errichten. Die Bilanz verzeichnet zwischen 1735 und Mai 1737 Gesamtausgaben in Höhe von 22.026 Talern, 16 Silbergroschen und 8 Pfennig , von denen 9.100 Taler explizit als baugebundene Ausgaben ausgewiesen sind.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.