Die hochmittelalterliche Burg Angern wurde in einer hydrologisch und strategisch besonders vorteilhaften Niederung der Altmark errichtet. Der Standort war durch einen feuchten, schwer passierbaren Bruch geprägt, der als natürliches Hindernis fungierte. Die nachfolgenden Ausführungen dokumentieren die landschaftlichen Voraussetzungen, den bautechnischen Umgang mit dem Bruchgelände sowie dessen Transformation im Laufe der Jahrhunderte.
Befund K1: Hydrologische und geostrategische Rahmenbedingungen der Burg Angern
Lage und Charakter des Bruchs: Der sogenannte „Bruch“ südlich der Turminsel der Burg Angern war ein ausgeprägtes Feuchtgebiet, das vor der barocken Umgestaltung im 18. Jahrhundert als morastige Senke bestand und in den Quellen des 17. Jahrhunderts ausdrücklich erwähnt wird. Es handelte sich um ein natürlich vernässtes Niederungsgebiet, das schwer zugänglich, von Gehölzen und Schilf bewachsen und hydrologisch unreguliert war. Die Fläche lag zwischen der Turminsel und dem südlichen Rand des Gutsterrains, wo sich heute der Landschaftspark mit Teichen befindet.
Wissenschaftlich betrachtet bezeichnet ein „Bruch“ eine flachliegende Feuchtzone mit gestautem Oberflächen- und Sickerwasser, wie sie insbesondere in glazial geprägten Niederungslandschaften der norddeutschen Tiefebene typisch ist. Die Entstehung solcher Bruchlandschaften geht meist auf das Vorhandensein von wasserstauenden Bodenschichten – etwa Ton oder verdichtetem Geschiebemergel – zurück, die eine natürliche Drainage verhindern und so die Ausbildung von Staunässe und Moorbildung begünstigen. Für das Gelände südlich der Turminsel von Angern ist die Existenz einer solchen Sperrschicht in etwa zwei Metern Tiefe zwar geologisch plausibel, bislang jedoch nicht durch Bohrkerne oder stratigrafische Profile gesichert. Frühere Aushubarbeiten im Bereich der Hauptinsel verweisen jedoch auf tonige, schwer durchlässige Bodenschichten, die bei der Anlage des Wassergrabens gezielt genutzt wurden.
In ihrer ursprünglichen Form bildete diese Bruchlandschaft eine passive Verteidigungsbarriere, die gemeinsam mit dem künstlich ausgehobenen Ringgraben die beiden Inseln – Hauptburg und Turminsel – vor Annäherung schützte. Die hydrologische Sperrwirkung des Bruchs stellte einen strategisch genutzten Standortvorteil dar und entspricht der typischen Planung hochmittelalterlicher Wasserburgen in der Altmark.
KI Rekonstuktion des Bruchgeländes
Historische Überlieferung: Ein handschriftlicher Vermerk im Gutsarchiv Angern (Rep. H Nr. 444) verweist auf die Bedeutung des Geländes in der militärischen Auseinandersetzung des Dreißigjährigen Kriegs: "[...] worinnen man wie auch im Hofe viele tote Körper gefunden, auch Kugeln und Kriegs-Arematouren, welches eine Kundschaft anzeiget, daß es zu Bataille und blutigem Gefecht gekommen sei." Der Bruch war somit nicht nur natürliches Hindernis, sondern auch Schauplatz historischer Gewalt.
Hydrologische Grundlagen und geotechnische Aspekte: Die Wahl des Burgstandortes folgte vermutlich hydrologischen Kriterien. Einzelne Annahmen sprechen für das Vorhandensein einer tonigen Sperrschicht in etwa drei Metern Tiefe unter dem Bruchgelände und dem Burggelände, die als Abdichtung des Wassergrabens gedient haben könnte. Diese Hypothese lässt sich bislang jedoch nicht durch regionale geologische Gutachten oder durch Grabungs- oder Fundamentbeobachtungen im Umfeld der Hauptinsel belegen. Entsprechende Schichtprofile oder stratigrafische Dokumentationen fehlen. Die Annahme bleibt daher spekulativ und muss als eine modellhafte Erklärung für die Wasserstauwirkung des Bruchgeländes behandelt werden.
Anlage des Ringgrabens und künstlicher Inselaufschüttung: Die topografische Struktur der Burg Angern basiert auf einem gezielt angelegten, vollständig umlaufenden Wassergraben, der zwei künstlich geschaffene Inselbereiche – die Hauptburginsel und die südlich vorgelagerte Turminsel – voneinander trennt. Der Graben wurde in das feuchte, tonhaltige Niederungsgebiet („Bruch“) südlich des historischen Ortskerns eingetieft und nutzt die geringe Wasserdurchlässigkeit der darunterliegenden Bodenschicht zur dauerhaften Wasserhaltung. Das ausgehobene Material wurde unmittelbar zum Aufschütten der beiden Inseln verwendet, wodurch eine gleichzeitige Geländehebung und Fundamentstabilisierung erreicht wurde. Diese Konstruktion entspricht den überlieferten Typologien hochmittelalterlicher Wasserburgen im norddeutschen Raum, bei denen Verteidigung, Erschließung und Wasserwirtschaft eng aufeinander abgestimmt waren. Der heute noch deutlich erkennbare Grabenverlauf sowie die erhöhte Lage der Hauptinsel belegen diesen systematischen Burgenbau um 1340 in eindrucksvoller Weise.
Bautechnische Umsetzung: Der Graben wurde mit Spaten und Schleppkarren per Hand ausgehoben und durch Flechtwerk, Faschinen oder Steinsatz gegen Ufererosion gesichert. Hölzerne Stauvorrichtungen erlaubten vermutlich die Regulierung des Wasserstands. Zwei getrennte Inseln für Hauptburg und Bergfried bildeten das Zentrum der Anlage. Die Verbindung erfolgte über einfache Holzbrücken.
Transformation im Barock: Mit dem barocken Ausbau des Gutshofs unter Christoph Daniel von der Schulenburg ab 1735 verlor der Bruch seine defensive Funktion. Ab 1738 wurde das Areal zu einem symmetrisch gegliederten Landschaftspark mit Teichen und Sichtachsen umgestaltet. Aus dem Ort militärischer Auseinandersetzung wurde ein ästhetisiertes Element der barocken Repräsentation. Die Umnutzung überformte die militärische Prägung, ohne die naturräumliche Struktur vollständig zu eliminieren.
Die barocke Gartenanlage südlich der Turminsel umfasste ursprünglich zwei symmetrisch angelegte Teiche. Während der östliche Teich bis heute erhalten ist, wurde der westliche Teich in der DDR-Zeit planmäßig verfüllt. Archivalische Hinweise, eine Karte aus dem Jahr 1740 sowie Geländestrukturen belegen dessen ehemalige Lage. Eine landschaftsarchitektonische Wiederherstellung ist im Rahmen zukünftiger Maßnahmen vorgesehen und würde die ursprüngliche barocke Gestaltungsabsicht erneut erfahrbar machen.
Fazit: Der Standort der Burg Angern beruht auf einer strategisch klug gewählten Nutzung der naturräumlichen Gegebenheiten. Der Bruch bildete ein zentrales Element der passiven Verteidigung und unterstützte die hydrologische Effizienz der Gesamtanlage. Auch wenn die Annahme einer tonigen Sperrschicht bislang nicht verifiziert ist, spricht die gesamte Struktur für ein hohes Maß an landschaftsbezogener Planung. Die spätere barocke Überformung dokumentiert den Wandel vom Wehrbau zur Repräsentationslandschaft in besonders eindrücklicher Weise.