Burg Angern
Die um 1341 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg.

Die vermauerten Fensteröffnungen in der westlichen und östlichen Ringmauer der Hauptburg Angern belegen bauliche Anpassungen zwischen 1650 und 1735. Ihre Position, Ausführung und spätere Verschließung spiegeln Veränderungen im Geländeniveau sowie die funktionale Umgestaltung der Burganlage nach der Zerstörung von 1631 wider. Die Befunde dokumentieren damit den Übergang von mittelalterlicher Wirtschaftsstruktur zu barocker Nutzung.

Befund E5: Fenster in der westlichen Ringmauer

Die westliche Ringmauer der Hauptburg Angern weist mehrere vermauerte Fensteröffnungen auf (vgl. Befund E3). Diese befinden sich in einem oberen Ziegelmauerabschnitt, der über einem unregelmäßigen Bruchsteinsockel liegt. Die Laibungen der Fenster bestehen aus grob zugeschnittenen Ziegeln, es fehlen mittelalterliche Gewändestrukturen. Der Mauerverband der Verschlüsse unterscheidet sich deutlich vom umgebenden Verband, was auf eine spätere Einfügung der Fenster hinweist. Die Fenster waren vermutlich zwischen ca. 1650 und 1735 in Nutzung, ehe sie erneut vermauert wurden.

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Fenster 4 zeigt eine segmentbogige Überdeckung mit deutlich radial gesetzten Ziegeln. Der Sturzverlauf ist asymmetrisch verformt; insbesondere die rechte Seite kippt leicht nach außen, während auf der linken Seite die Steine enger gesetzt sind. Oberhalb des ursprünglichen Sturzes ist ein zweiter, irregulärer Bogenansatz aus später hinzugefügten Ziegeln und Feldsteinbruch sichtbar, der vermutlich eine nachträgliche Lastverlagerung oder Ausbesserung darstellt. Die Fensteröffnung selbst wurde mit kleinteiligem Ziegelfüllmaterial vermauert, das sich farblich und in der Bindung vom umliegenden Mauerverband unterscheidet. Die Position der Öffnung – relativ niedrig im Wandverband – und der schlichte Ausbau sprechen für eine Belichtung oder Belüftung eines wirtschaftlichen Nebenraums, nicht eines Wohnbereichs. Die sekundäre Verschließung erfolgte technisch einfach, mit eingeschobenem Füllmaterial, wie es für provisorische Stilllegungen typisch ist. Die unregelmäßige Fugenführung und der grobkörnige, sandige Mörtel sprechen für eine Ausbesserung im 17. oder 18. Jahrhundert. Die gesamte Ausführung bestätigt die sekundäre Entstehung dieser Öffnung im Zuge funktionaler Anpassungen der Ringmauer nach 1650.

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Befund E6: Fenster in der östlichen Ringmauer

Die beiden nördlichen Fenster in der Ostwand des Palas sind bauzeitlich (ca. 1340) (zur Ostwand vgl. Befund D1). Sie bestehen aus asymmetrisch gesetzten Schlitzfenstern mit Ziegellaibung. Die drei südlichen Fenster im gleichen Mauerabschnitt zeigen dagegen spätere Verschlüsse: Die Öffnung ist segmentbogig überdeckt, mit radial gesetzten Ziegeln im Sturzbereich, und wurde sekundär mit unregelmäßigem Ziegelmaterial vermauert. Die Laibung hebt sich deutlich vom älteren, teils aus Bruchstein bestehenden Mischmauerwerk ab. Das Fugenbild ist unregelmäßig, der verwendete Mörtel unterscheidet sich sichtbar vom ursprünglichen Verband. Diese Merkmale weisen auf eine späte sekundäre Verschließung hin – vermutlich im Zuge der Geländeaufschüttung oder barocken Umbauten. Die Lage und Ausführung der Öffnung deuten auf eine frühere Nutzung als Licht- oder Belüftungsöffnung im Bereich eines nicht-repräsentativen Raumes hin, etwa einer Keller- oder Vorratszone.

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Zugemauerte Fenster in der Ostwand der Hauptburg

Kontext und Datierung: Die untersuchten Fenster lassen sich in die Zeit zwischen 1650 und 1735 datieren. Hinweise ergeben sich aus dem Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 412, mit Erwähnungen der Hofaufschüttung und deren Rücknahme im Zuge des barocken Schlossbaus. Die Funktion der Fenster dürfte in einer temporären Nutzung als Belüftungs- oder Belichtungsöffnung für Wirtschaftsbereiche gelegen haben.

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Vermauertes Fenster im südlichen Bereich der Ostwand

Bauhistorische Einordnung: Die Fenster in West- und Ostwand sind nicht bauzeitlich, sondern Ergebnis eines Nutzungswandels nach der Zerstörung 1631. Sie dokumentieren eine Phase der Wiederbesiedlung, Aufschüttung und Umbau zwischen ca. 1650 und 1735. Die bauzeitlichen Fenster (nördlich, Ostwand) bleiben hingegen Zeugnisse der hochmittelalterlichen Ursprungsnutzung.

Schlussfolgerung: Die zugemauerten Fenster der Hauptburg Angern belegen eine klare bauliche Transformation der Anlage im 17. Jahrhundert. Ihre Analyse erlaubt Rückschlüsse auf Geländeveränderungen, provisorische Nutzungen und die allmähliche Umgestaltung zur barocken Schlossanlage.

Quellen

  • Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 412, Nr. 2 und Nr. 4 (1737)
  • Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 79
  • Ziegel mit Prägung "Kehnert" (eigene Untersuchung)
  • Dorfchronik Angern (Kirchenvisitation 1650, Erwähnung der vier Keller)
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg sowie einflussreiche Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitzrechte, Lehnsbindungen und lokale Machtstellungen. In diesem territorial instabilen Raum stellte die Gründung der Burg Angern eine gezielte Maßnahme der Erzdiözese Magdeburg dar, um ihren Einfluss militärisch abzusichern und administrativ zu konsolidieren. Die Errichtung einer Wasserburg mit deutlich ausgeprägter Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz vor Ort und fungierte zugleich als sichtbares Machtsymbol gegenüber konkurrierenden Adelsinteressen. Hauptburg Angern Palas, Ringmauer und Wehrgang um 1350
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
Dieser Rundgang durch die Burg Angern um das Jahr 1340 basiert auf einer sorgfältigen Rekonstruktion historischer Quellen, archäologischer Befunde und baugeschichtlicher Analysen. Alle Szenen, Räume und Details wurden unter Berücksichtigung realer Gegebenheiten der mittelalterlichen Anlage entwickelt – etwa der erhaltenen Tonnengewölbe, der typischen Bauweise von Palas, Bergfried und Wirtschaftsflügeln sowie Hinweise aus Inventaren und schriftlichen Überlieferungen. Ziel ist es, nicht nur die äußere Gestalt, sondern auch die Atmosphäre und Lebenswelt einer spätmittelalterlichen Burg erlebbar zu machen – so nah wie möglich an der historischen Realität, doch mit erzählerischer Tiefe. Die Bilder zeigen fotorealistische Rekonstruktionen der Burg Angern um 1350. Sie basieren auf archäologischen Befunden, historischen Quellen und vergleichbarer Bausubstanz – realitätsnah umgesetzt mit moderner KI-Technik.
Die Burg Angern als exemplarische hochmittelalterliche Wasserburg in Norddeutschland. Die Burg Angern zählt zu den wenigen in der norddeutschen Tiefebene erhaltenen Wasserburgen, deren bauliche Struktur, archäologische Substanz und archivalische Überlieferung gleichermaßen außergewöhnlich gut erhalten sind. Obwohl die Errichtung um 1340 chronologisch an der Schwelle zum Spätmittelalter liegt, entspricht die Anlage in ihrer Konzeption, Gliederung und Funktionalität eindeutig dem hochmittelalterlichen Burgentypus. Die Burg vereint in exemplarischer Weise militärische, ökonomische und administrative Funktionen innerhalb eines klar strukturierten und funktional differenzierten Inselburgsystems. Ihre topografische Disposition – bestehend aus zwei künstlich aufgeschütteten Inseln, vollständig umgeben von einem mehrfach gegliederten Grabensystem – dokumentiert eindrucksvoll die strategischen und ingenieurtechnischen Prinzipien des Burgenbaus im mittleren 14. Jahrhundert. Burganlage in Angern mit Vorburg, Hauptburg mit Wehrgängen (orange) und Brücken sowie der Turminsel
Die Vorburg der Burg Angern: Funktionsanalyse und historische Rekonstruktion unter der Annahme mittelalterlicher Vorgängermauern (ca. 1350). Die Vorburg der Burg Angern, wie sie auf einem barockzeitlichen Plan um 1760 dargestellt ist, weist eine markante rechteckige Struktur mit drei langgestreckten Wirtschaftsgebäuden und zwei freistehenden Bauten auf. Auf Grundlage architektonischer Analyse, funktionaler Einteilung sowie typologischer Vergleiche mit anderen mitteleuropäischen Burganlagen lässt sich begründet rekonstruieren, dass die barocken Gebäude auf der Struktur und dem Grundriss einer hochmittelalterlichen Vorburg basieren. Die folgenden Ausführungen widmen sich der Rekonstruktion dieser früheren Vorburg unter der Annahme eines Baubestandes aus der Zeit um 1350. Innenhof der Vorburg Angern mit Wirtschaftsgebäuden (KI-Rekonstruktion)
Die strategische Lage Angerns im Dreißigjährigen Krieg. Angern war zu Beginn des 17. Jahrhunderts Sitz eines ausgedehnten Lehngutes der Familie von der Schulenburg, gelegen an der Grenze zwischen dem Kurfürstentum Brandenburg und den geistlichen Territorien Halberstadt und Magdeburg. Die Burg war Teil eines befestigten Ensembles aus Hauptburg, Vorburg und Turminsel. Ihre Lage machte sie im Kontext konfessioneller Konflikte und durchziehender Heere zu einem militärisch sensiblen Ziel.
Dieses Essay unternimmt den Versuch, die Lebenswirklichkeit im Dorf Angern um das Jahr 1340 nachzuzeichnen – basierend auf überlieferten Urkunden, Inventaren, Dorfordnungen und vergleichenden Regionalanalysen. Es beleuchtet die sozialen Strukturen , das wirtschaftliche Leben , den Alltag der Bevölkerung , und stellt Angern in den Kontext vergleichbarer Dörfer mit ähnlicher Herrschafts- und Wirtschaftsform. Trotz der lückenhaften Quellenlage aus dem 14. Jahrhundert erlauben spätere Ordnungen und bauliche Spuren einen aufschlussreichen Rückblick auf eine Epoche, in der feudale Macht, religiöse Ordnung und agrarische Selbstversorgung das Leben der Menschen bestimmten. Alte Dorfstrasse von Angern im Mittelalter
Die Errichtung der Burg Angern um 1340 – Architektur, Handwerk und Kontext. Die Burg Angern entstand um das Jahr 1340 im Auftrag des Erzbischofs Otto von Magdeburg. Diese Befestigungsanlage war Teil einer territorialpolitischen Sicherungsstrategie des Erzstifts in der südlichen Altmark, nachdem 1336 ein Ausgleich mit dem Markgrafen von Brandenburg erreicht worden war. Die Anlage, gelegen an einer bedeutenden Handelsroute, zählt zu den Wasserburgen des Niederungstyps und zeigt exemplarisch, wie sich Wehrhaftigkeit, Verwaltung und Repräsentation im 14. Jahrhundert architektonisch verbanden.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.