Burg Angern
Die um 1341 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg.

Die Fensteröffnungen im östlichen Mauerzug des tonnengewölbten Palas-Erdgeschosses der Burg Angern gehören zu den authentischsten überlieferten Lichtöffnungen hochmittelalterlicher Wasserburgen in der Altmark. Ihre tiefe, trichterförmige Laibung, die segmentbogigen Abschlüsse und originalen Sicherungselemente belegen eine bauzeitliche Entstehung um 1340. Die gezielte Ausrichtung zur Achse des Umkehrgangs verweist auf eine funktional durchdachte Lichtführung, wie sie für nichtrepräsentative Funktionsräume dieser Zeitstellung charakteristisch ist.

Befund B1: Fensteröffnung im nördlichen Raum des Palas

Lage und Raumeinbindung: Die Fensteröffnung befindet sich in der Ostwand des nördlichen tonnengewölbten Erdgeschossraumes des Palas auf der Hauptinsel der Burg Angern. Sie liegt innerhalb der östlichen Ringmauer der Hauptburg. Die Fensteröffnung befindet sich in der Ostwand des südlichen tonnengewölbten Erdgeschossraums des Palas und liegt tief im aufgehenden Mauerwerk der Ringmauer der Hauptburg. Sie ist in eine statisch unkritische Zone außerhalb des Gewölbescheitels eingebunden. Beide Fenster sind asymmetrisch angeordnet: im nördlichen Gewölberaum südlich, im südlichen Raum nördlich versetzt (siehe Befund A6). Diese Positionierung ist statisch sinnvoll, da Öffnungen im Gewölbescheitel die Tragfähigkeit der Konstruktion beeinträchtigt hätten. Die gewählte Lage erlaubt somit eine funktionale Belichtung bei gleichzeitiger Wahrung der strukturellen Integrität der Gewölbeschale – ein konstruktives Prinzip, das in der hochmittelalterlichen Kellerarchitektur vielfach belegt ist. Zugleich steht die Öffnung damit in direkter Fluchtlinie zum gegenüberliegenden Eingang des Umkehrgangs, was auf eine gezielte bauzeitliche Lichtführung für diesen ansonsten vollständig fensterlosen Verbindungskorridor hinweist. Durch den Tageslichteinfall in die seitlich angrenzenden Eingänge wurde ein Mindestmaß an Sichtverhältnissen geschaffen, das die Orientierung auch ohne künstliche Lichtquelle erleichterte – ein bauzeitlich durchdachtes Konzept, wie es sonst nur selten nachweisbar ist.

Maße und Form: Die Öffnung besitzt eine annähernd quadratische Lichtweite von ca. 40 × 40 cm. Die Laibung ist konisch nach außen verjüngt, mit einem flach segmentbogigen Sturz. Die Proportion, Ausbildung und Orientierung entsprechen typologisch funktionalen Lichtöffnungen in hochmittelalterlichen Kellerbereichen.

Innenansicht – Konstruktion und Erhaltung: Die Innenansicht zeigt eine tief eingeschnittene, konisch nach außen verjüngte Laibung, die aus hochkant gesetzten Handstrichziegeln besteht. Der flach segmentbogige Sturz ist aus handgefertigten Ziegeln gesetzt, die nicht sichtbar mit dem umgebenden Mauerwerk verzahnt sind. Diese lose Auflagerung, in Kombination mit der gleichzeitig erneuerten Außenlaibung, weist auf eine spätere Reparaturmaßnahme, vermutlich im 19. Jahrhundert, hin. Die Arbeiten erfolgten unter Beibehaltung der ursprünglichen Öffnungsform und unter Verwendung traditioneller, nicht industrieller Ziegel. Die Ziegel zeigen typische Merkmale handwerklicher Fertigung: unregelmäßige Maße, weichkantige Profile und variierende Brenntönungen. Der Putz der inneren Laibung ist insbesondere im oberen Bereich großflächig verloren. Sichtbar sind Erosionsspuren, Materialausbrüche und sekundäre Schädigungen, die auf langanhaltende Feuchtigkeitseinwirkung und spätere Nutzungseinflüsse zurückzuführen sind. Trotz dieser Verluste ist die strukturelle Integrität der Öffnung vollständig erhalten. Es bestehen keine Hinweise auf nachträgliche Erweiterungen oder Durchbrüche. Der bauzeitliche Charakter der Fensterlaibung ist in Anlage, Mauerung und Materialität klar fassbar.

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Lichtführung und funktionale Ausrichtung: Das Fenster ist in direkter Fluchtlinie gegenüber dem westlichen Ein- und Ausgang des dazwischenliegenden Umkehrgangs positioniert. Diese gezielte Ausrichtung ermöglichte eine indirekte Belichtung des ansonsten fensterlosen Verbindungsgangs zwischen den beiden Gewölberäumen. Damit belegt der Befund nicht nur eine gezielte Lichtführung für den eigenen Raum, sondern auch eine durchdachte Lichtlenkung zur Orientierung in nachgeordneten Raumeinheiten.

Außenansicht – Überformung: Die äußere Laibung des nördlichen Fensters zeigt deutliche Überformungsspuren aus dem 19. Jahrhundert. Ein in den Sturz eingelassener Ziegel mit der Prägung „Kehnert“ belegt die Herkunft aus der gleichnamigen Ziegelei, die erst im 19. Jahrhundert in Betrieb war. Der flach segmentbogige Sturz besteht aus regelmäßig geformten, industriell gefertigten Ziegeln, die radial gesetzt wurden. Die Fugenverläufe und der Anschluss an das ältere Bruchsteinmauerwerk zeigen charakteristische Bindungsstörungen, darunter unterschiedliche Mörtelstrukturen und Versatzlinien. Diese Befunde sprechen für eine nachträgliche Ausbesserung oder vollständige Neumauerung des äußeren Fassungsbereichs. Die innere Laibung und die ursprüngliche Gewölbestruktur sind davon nicht betroffen und weisen bauzeitliche Substanz um 1340 auf. Die Überformung ist daher als sekundärer Eingriff im Fassungsbereich zu bewerten, der den funktionalen und konstruktiven Charakter der Fensteröffnung jedoch nicht grundlegend verändert hat.

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Zusammenfassung: Die Fensteröffnung in der Ostwand des nördlichen tonnengewölbten Erdgeschosses des Palas ist in ihrer inneren Struktur vollständig original erhalten und dokumentiert ein selten überliefertes, funktional konzipiertes Licht- und Belüftungselement des 14. Jahrhunderts. Die äußere Ziegelerneuerung im 19. Jahrhundert ist als nachgeordnete Überformung zu werten. Die gezielte Ausrichtung zur Achse des Umkehrgangs, die archaische Ziegelausführung und die Spuren der Sicherungsvorrichtung machen den Befund zu einem exemplarischen Beleg hochmittelalterlicher Kellerarchitektur in wasserbeeinflusstem Kontext.

Befund B2: Fensteröffnung im südlichen Raum des Palas

Lage und Raumeinbindung: Die Fensteröffnung befindet sich in der Ostwand des südlichen tonnengewölbten Erdgeschossraums des Palas und liegt tief im aufgehenden Mauerwerk der Ringmauer der Hauptburg. Sie ist in eine statisch unkritische Zone außerhalb des Gewölbescheitels eingebunden. Die beiden Fenster sind asymmetrisch angeordnet: im nördlichen Gewölberaum südlich, im südlichen Raum nördlich versetzt. Diese Positionierung ist statisch sinnvoll, da Öffnungen im Gewölbescheitel die Tragfähigkeit der Konstruktion beeinträchtigt hätten. Die gewählte Lage erlaubt somit eine funktionale Belichtung bei gleichzeitiger Wahrung der strukturellen Integrität der Gewölbeschale – ein konstruktives Prinzip, das in der hochmittelalterlichen Kellerarchitektur vielfach belegt ist. Zugleich steht die Öffnung damit in direkter Fluchtlinie zum gegenüberliegenden Eingang des Umkehrgangs, was auf eine gezielte bauzeitliche Lichtführung für diesen ansonsten vollständig fensterlosen Verbindungskorridor hinweist. Durch den Tageslichteinfall in die seitlich angrenzenden Eingänge wurde ein Mindestmaß an Sichtverhältnissen geschaffen, das die Orientierung auch ohne künstliche Lichtquelle erleichterte – ein bauzeitlich durchdachtes Konzept, wie es sonst nur selten nachweisbar ist.

Maße und Form: Die Öffnung besitzt eine annähernd quadratische Lichtweite von ca. 40 × 40 cm. Die Laibung ist konisch eingezogen und nach außen verjüngt. Der Sturz ist als flach segmentbogige Ziegelschicht ausgebildet. Die Einbindung der Laibung in das umgebende Mauerwerk erfolgt ohne Bindungsstörungen. Die Position im unteren Wanddrittel entspricht der typischen Lage funktionsorientierter Belichtungsöffnungen in hochmittelalterlichen Kellerzonen.

Innenansicht – Konstruktion und Erhaltung: Die Laibung des südlichen Fensters ist tief eingezogen und konisch nach außen verjüngt. Die Ausführung erfolgt nicht vollständig in Ziegelmauerwerk, sondern in einem heterogenen Materialverband: Die seitlichen und unteren Flächen bestehen aus unregelmäßig gemauertem Mischmauerwerk, teils mit Mörtelresten und Putzauflagen, teils mit verputztem Bruchstein. Die Laibung ist stark geglättet, aber an mehreren Stellen verwittert, ausgebrochen oder nachträglich ergänzt. Der Sturz ist als monolithischer Segmentbogen ausgeführt, möglicherweise aus Formputz oder aus großformatigen Werksteinen, die mit Kalkmörtel verstrichen wurden. Es sind keine Ziegel im eigentlichen Sturzbereich sichtbar. Die Ausführung wirkt älter, aber deutlich schlichter als beim nördlichen Pendant. Es fehlen formtypische hochmittelalterliche Ziegelmerkmale wie differenzierte Gliederung oder präzise Backsteinversatztechnik. Der Putz im Bereich der Laibung ist unregelmäßig und teilweise flächig erhalten, mit deutlichen Alterserscheinungen: Risse, Ausbrüche und Kalkabsinterungen sind erkennbar. Die untere Fensterbank ist beschädigt und mit Schutt, organischem Material und Nutzungsspuren belegt. Die verzinkten Eisenverankerungen im oberen Bereich sind korrodiert, aber klar original und funktional eingebunden.

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Bewertung: Die Öffnung zeigt eine konisch verjüngte, funktional orientierte Ausformung, die grundsätzlich in die Bauzeit des Palas um 1340 passen kann. Im Unterschied zum nördlichen Fenster wirkt der innere Ausbau jedoch weniger regelhaft, möglicherweise durch vereinfachte Ausführung bedingt. Trotz der baulichen Uneinheitlichkeit bleibt die Substanz im Wesentlichen authentisch. Die Öffnung besitzt eine klare funktionale Prägung und ist mit ihrer Lage im unteren Mauerbereich als Belichtungs- und Sicherungselement eines Lagerraums zu interpretieren. Die Maueranschlüsse zeigen keine Hinweise auf nachträgliche Erweiterung oder sekundäre Durchbrüche, sodass die Struktur im Kern bauzeitlich ist.

Außenansicht – Originalsubstanz: Die Außenansicht zeigt eine segmentbogige Sturzform aus hochkant gesetzten Backsteinen, die in das heterogene Bruchsteinmauerwerk der Ringmauer eingebunden sind. Die Mauerwerksstruktur ist original aus dem Jahr 1340 erhalten. Es liegen keine Hinweise auf sekundäre Ausbesserungen oder Überformungen im Fassungsbereich vor. Die Fugenverläufe sind unregelmäßig, aber historisch gewachsen. Die Ziegel sind handstrichartig und zeigen keine industrielle Fertigungsmerkmale. Die Öffnung ist damit in vollem Umfang bauzeitlich.

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Sicherungselement: Im oberen Bereich der inneren Laibung sind beidseitig korrosive Reste eines metallischen Sicherungselements erkennbar. Es handelt sich um zwei gegenüberliegende Einbindungsspuren eines horizontal verankerten Eisenstabs, der ehemals als starres Gitter oder Riegel die Öffnung verschloss. Die Position und Verankerungstiefe sprechen für ein fest eingemauertes Sicherungselement, wie es zur Sicherung gefährdeter Außenfenster in grabennahen Bereichen mittelalterlicher Wasserburgen regelmäßig eingesetzt wurde. Der Befund ist funktional und typologisch eindeutig: Fensteröffnungen dieser Art wurden im 14. Jahrhundert regelmäßig durch geschmiedete Eisenstäbe gesichert, um eine Durchdringung von außen zu verhindern, ohne die Licht- und Luftzufuhr zu blockieren. 

Datierung und bauhistorische Bewertung: Sowohl Materialität als auch konstruktive Ausführung sprechen mit hoher Sicherheit für eine Entstehung der Öffnung in der Palasbauphase um 1340. Es bestehen keinerlei Hinweise auf sekundäre Eingriffe, Veränderungen oder Reparaturen. Die Öffnung ist in ihrer ursprünglichen Struktur und Form vollständig erhalten. Das erhaltene Sicherungselement stellt einen selten dokumentierten Zusatzbefund dar und bestätigt die defensive Funktionsausrichtung dieses Fensterbereichs.

Funktionale Bewertung: Die Öffnung diente primär der Belichtung und Belüftung eines funktionalen, nicht repräsentativen Raumes im Bereich des südlichen Gewölbes. Durch die gezielte Position in Fluchtlinie zum Umkehrgang ermöglichte sie gleichzeitig eine indirekte Lichtzufuhr für die Gangzone, wodurch eine minimale Orientierung in einem ansonsten völlig lichtlosen Verbindungskorridor geschaffen wurde. Die durchdachte Positionierung, verbunden mit sicherheitstechnischer Sicherung, belegt die präzise funktionale Planung der hochmittelalterlichen Kellerzonen der Burg.

Zusammenfassung: Die Fensteröffnung in der Ostwand des südlichen tonnengewölbten Raums des Palas der Burg Angern stellt ein vollständig original erhaltenes Beispiel hochmittelalterlicher Kellerfensterarchitektur dar. Die Kombination aus authentischer Laibung, intaktem Sturz, Spuren eines bauzeitlichen Sicherungselements und funktionaler Ausrichtung auf die Belichtung des Umkehrgangs belegt die durchdachte Nutzungskonzeption der Palasuntergeschosse um 1340. Der Befund besitzt hohen bauhistorischen Aussagewert für die Verteidigungs- und Versorgungsarchitektur norddeutscher Wasserburgen im Spätmittelalter.

Befund B3: Metallische Sicherung in der äußeren Laibung

Lage und Kontext: Das untersuchte Sicherungselement befindet sich in der äußeren Laibung eines Fensters in der östlichen Außenwand des tonnengewölbten Erdgeschosses des Palas auf der Hauptburginsel der Burg Angern. Die Fensteröffnung selbst wurde in einem separaten Befund beschrieben. Der zugehörige Raum diente vermutlich als Vorrats- oder Lagerraum und ist Teil der originalen hochmittelalterlichen Bausubstanz.

Beschreibung des Sicherungselements: In der äußeren Ziegellaibung des Fensters sind beidseitig korrosive Reste eines horizontalen metallischen Sicherungselements sichtbar. Die Einbindungsspuren liegen jeweils etwa 6 bis 8 cm von der Laibungskante entfernt und bestehen aus korrodierten Eisenresten in Form kleiner Hohlräume mit oxidischem Randmaterial. Die Verankerungstiefe und symmetrische Anordnung sprechen für einen fest eingemauerten Eisenstab, der quer zur Fensteröffnung verlief.

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Funktionale Deutung: Die Ausführung weist eindeutig auf ein statisches Sicherungselement hin, das dazu diente, die Fensteröffnung gegen äußeres Eindringen abzusichern. Solche horizontalen Eisenriegel wurden im 14. Jahrhundert regelmäßig in Fensteröffnungen von Wirtschafts- oder Kellerbereichen eingesetzt, insbesondere bei direkter Lage zu Wassergräben oder ungeschützten Außenzonen. Die Sicherung war permanent und nicht beweglich, diente jedoch nicht der vollständigen Verschließung, sondern ergänzte die Schutzfunktion bei gleichzeitig möglicher Licht- und Luftzufuhr.

Bauhistorische Bewertung: Das erhaltene Sicherungselement ist ein bedeutender Hinweis auf das ursprüngliche Sicherheitskonzept der Burg Angern. Seine Einbindung in die originale Fensterlaibung, die Form der Einlassstellen und der Erhaltungszustand der korrosiven Reste sprechen klar für eine Datierung in die Bauzeit um 1340. Der Befund besitzt exemplarischen Charakter für bauliche Schutzmaßnahmen in funktionsgegliederten, nicht repräsentativen Bereichen hochmittelalterlicher Burgarchitektur.

Schlussfolgerung: Der Befund belegt die bewusste Absicherung der Fensteröffnung durch ein starres Sicherungselement aus Eisen. Die Kombination aus reduzierter Fenstergröße und fest verankerter Querriegelung dokumentiert ein funktional durchdachtes Verteidigungskonzept, wie es für mittelalterliche Wasserburgen mit grabennahen Kellerzonen typisch war.

Literatur

  • Wäscher, Hermann: Feudalburgen in den Bezirken Halle und Magdeburg, Bd. 1: Einführung und Katalog, Berlin 1962, S. 42–44.
  • Grimm, Paul: Die vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle der Bezirke Halle und Magdeburg, Berlin 1958, S. 360, Nr. 904 (Kalbe, Lenzen).
  • Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler – Sachsen-Anhalt I: Regierungsbezirk Magdeburg, München/Berlin 2002, S. 91 (Burg Angern), S. 117 (Ziesar).
  • Krahe, Friedrich-Wilhelm: Burgen des deutschen Mittelalters, Würzburg 2000, S. 95 (typologische Parallelen zu Belichtungs- und Sicherungsfenstern in Kellerzonen).
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg sowie einflussreiche Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitzrechte, Lehnsbindungen und lokale Machtstellungen. In diesem territorial instabilen Raum stellte die Gründung der Burg Angern eine gezielte Maßnahme der Erzdiözese Magdeburg dar, um ihren Einfluss militärisch abzusichern und administrativ zu konsolidieren. Die Errichtung einer Wasserburg mit deutlich ausgeprägter Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz vor Ort und fungierte zugleich als sichtbares Machtsymbol gegenüber konkurrierenden Adelsinteressen. Hauptburg Angern Palas, Ringmauer und Wehrgang um 1350
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
Dieser Rundgang durch die Burg Angern um das Jahr 1340 basiert auf einer sorgfältigen Rekonstruktion historischer Quellen, archäologischer Befunde und baugeschichtlicher Analysen. Alle Szenen, Räume und Details wurden unter Berücksichtigung realer Gegebenheiten der mittelalterlichen Anlage entwickelt – etwa der erhaltenen Tonnengewölbe, der typischen Bauweise von Palas, Bergfried und Wirtschaftsflügeln sowie Hinweise aus Inventaren und schriftlichen Überlieferungen. Ziel ist es, nicht nur die äußere Gestalt, sondern auch die Atmosphäre und Lebenswelt einer spätmittelalterlichen Burg erlebbar zu machen – so nah wie möglich an der historischen Realität, doch mit erzählerischer Tiefe. Die Bilder zeigen fotorealistische Rekonstruktionen der Burg Angern um 1350. Sie basieren auf archäologischen Befunden, historischen Quellen und vergleichbarer Bausubstanz – realitätsnah umgesetzt mit moderner KI-Technik.
Die Burg Angern als exemplarische hochmittelalterliche Wasserburg in Norddeutschland. Die Burg Angern zählt zu den wenigen in der norddeutschen Tiefebene erhaltenen Wasserburgen, deren bauliche Struktur, archäologische Substanz und archivalische Überlieferung gleichermaßen außergewöhnlich gut erhalten sind. Obwohl die Errichtung um 1340 chronologisch an der Schwelle zum Spätmittelalter liegt, entspricht die Anlage in ihrer Konzeption, Gliederung und Funktionalität eindeutig dem hochmittelalterlichen Burgentypus. Die Burg vereint in exemplarischer Weise militärische, ökonomische und administrative Funktionen innerhalb eines klar strukturierten und funktional differenzierten Inselburgsystems. Ihre topografische Disposition – bestehend aus zwei künstlich aufgeschütteten Inseln, vollständig umgeben von einem mehrfach gegliederten Grabensystem – dokumentiert eindrucksvoll die strategischen und ingenieurtechnischen Prinzipien des Burgenbaus im mittleren 14. Jahrhundert. Burganlage in Angern mit Vorburg, Hauptburg mit Wehrgängen (orange) und Brücken sowie der Turminsel
Die Vorburg der Burg Angern: Funktionsanalyse und historische Rekonstruktion unter der Annahme mittelalterlicher Vorgängermauern (ca. 1350). Die Vorburg der Burg Angern, wie sie auf einem barockzeitlichen Plan um 1760 dargestellt ist, weist eine markante rechteckige Struktur mit drei langgestreckten Wirtschaftsgebäuden und zwei freistehenden Bauten auf. Auf Grundlage architektonischer Analyse, funktionaler Einteilung sowie typologischer Vergleiche mit anderen mitteleuropäischen Burganlagen lässt sich begründet rekonstruieren, dass die barocken Gebäude auf der Struktur und dem Grundriss einer hochmittelalterlichen Vorburg basieren. Die folgenden Ausführungen widmen sich der Rekonstruktion dieser früheren Vorburg unter der Annahme eines Baubestandes aus der Zeit um 1350. Innenhof der Vorburg Angern mit Wirtschaftsgebäuden (KI-Rekonstruktion)
Die strategische Lage Angerns im Dreißigjährigen Krieg. Angern war zu Beginn des 17. Jahrhunderts Sitz eines ausgedehnten Lehngutes der Familie von der Schulenburg, gelegen an der Grenze zwischen dem Kurfürstentum Brandenburg und den geistlichen Territorien Halberstadt und Magdeburg. Die Burg war Teil eines befestigten Ensembles aus Hauptburg, Vorburg und Turminsel. Ihre Lage machte sie im Kontext konfessioneller Konflikte und durchziehender Heere zu einem militärisch sensiblen Ziel.
Dieses Essay unternimmt den Versuch, die Lebenswirklichkeit im Dorf Angern um das Jahr 1340 nachzuzeichnen – basierend auf überlieferten Urkunden, Inventaren, Dorfordnungen und vergleichenden Regionalanalysen. Es beleuchtet die sozialen Strukturen , das wirtschaftliche Leben , den Alltag der Bevölkerung , und stellt Angern in den Kontext vergleichbarer Dörfer mit ähnlicher Herrschafts- und Wirtschaftsform. Trotz der lückenhaften Quellenlage aus dem 14. Jahrhundert erlauben spätere Ordnungen und bauliche Spuren einen aufschlussreichen Rückblick auf eine Epoche, in der feudale Macht, religiöse Ordnung und agrarische Selbstversorgung das Leben der Menschen bestimmten. Alte Dorfstrasse von Angern im Mittelalter
Die Errichtung der Burg Angern um 1340 – Architektur, Handwerk und Kontext. Die Burg Angern entstand um das Jahr 1340 im Auftrag des Erzbischofs Otto von Magdeburg. Diese Befestigungsanlage war Teil einer territorialpolitischen Sicherungsstrategie des Erzstifts in der südlichen Altmark, nachdem 1336 ein Ausgleich mit dem Markgrafen von Brandenburg erreicht worden war. Die Anlage, gelegen an einer bedeutenden Handelsroute, zählt zu den Wasserburgen des Niederungstyps und zeigt exemplarisch, wie sich Wehrhaftigkeit, Verwaltung und Repräsentation im 14. Jahrhundert architektonisch verbanden.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.