Burg Angern
Die um 1341 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg.

Architekturbefunde im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern. Die bauzeitlichen Strukturen im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern stellen ein herausragendes Beispiel hochmittelalterlicher Profanarchitektur im norddeutschen Raum dar. Innerhalb der erhaltenen Kernsubstanz lassen sich mehrere Bauteile als authentische Bestandteile der Erstbauphase um 1340 identifizieren. Dazu zählen insbesondere zwei gedrückte Tonnengewölbe, eine massiv ausgeführte Trennwand in opus mixtum, bauzeitliche Fensteröffnungen mit funktionaler Sicherung, sowie spezifische architektonische Details wie ein Wandpodest und ein Umkehrgang.

Diese Befunde ermöglichen nicht nur eine präzise bauhistorische Einordnung der Palasstruktur, sondern liefern auch wichtige Hinweise zur ursprünglichen Nutzung, zur Erschließung sowie zur funktionalen Differenzierung innerhalb der Anlage. Besonders bedeutsam ist die Tatsache, dass diese Baustrukturen den Brand von 1631 überstanden und keine Hinweise auf nachmittelalterliche Überformung oder Rekonstruktion aufweisen. Die in situ erhaltene Materialität, Mauertechnik und Geometrie erlauben eine weitreichende Rekonstruktion der bauzeitlichen Planung und Nutzung, gestützt durch archäologische, schriftliche und vergleichende architekturhistorische Quellen.

Die folgenden Einzelbefunde dokumentieren die wichtigsten erhaltenen Elemente des Palas-Erdgeschosses unter den Gesichtspunkten von Bauweise, Funktion, Erhaltungszustand und historischer Bedeutung. Sie bilden die Grundlage für eine typologisch und chronologisch fundierte Bewertung der Burg Angern als selten überliefertes Beispiel einer hochmittelalterlichen Wasserburg mit weitgehend authentischer Kernsubstanz.

Befund A1: Nördliches Tonnengewölbe des Palas der Burg Angern

Lage und Kontext: Das nördliche Tonnengewölbe befindet sich im östlichen Erdgeschossbereich des Palas der Hauptburginsel von Burg Angern. Es handelt sich um einen rechteckigen, vollständig gewölbten Raum, der in unmittelbarem Zusammenhang mit dem südlich angrenzenden Tonnengewölberaum steht. Der Raum ist nach Osten hin belichtet und grenzt westlich an den erhaltenen Umkehrgang an, über den eine innere Erschließung erfolgt. Die Raumlage innerhalb des Palas weist auf eine ursprüngliche Nutzung als Vorrats- oder Wirtschaftskeller hin, wobei die Ausführung als Tonnengewölbe eine verstärkte Schutz- und Stabilisierungsfunktion nahelegt.

Baustruktur und Geometrie: Das Gewölbe ist als gedrückte Tonne mit flach ansteigenden Wölbungen ausgebildet. Die lichte Raumhöhe beträgt heute ca. 2,27 m; ursprünglich ist von ca. 2,70–2,90 m auszugehen. Die Breite misst 4,50 m, die Länge ca. 7,20 m. Das Gewölbe weist keine Gurt- oder Stichbögen auf, sondern ist in durchgehender Längsrichtung über die gesamte Raumtiefe gespannt. Der Ansatzpunkt des Gewölbes liegt unmittelbar über der aufgehenden Wandzone ohne Ausbildung eines Kämpfers oder horizontalen Versatzes.

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Gewölbe des nördlichen Palas Erdgeschosses mit Eingang zum Umkehrgang

Material und Ausführung: Die Wölbung besteht aus homogen gesetzten Handstrichziegeln im Läuferverband, deren Formate zwischen 27–29 cm Länge, 13–14 cm Breite und 6–7 cm Höhe schwanken. Der Ziegelverband ist regelmäßig und präzise ausgeführt, mit schmalen Fugen und homogener Lagerung. Der verwendete Mörtel weist einen hohen Kalkanteil mit gröberem Zuschlagsgefüge auf, typisch für eine regionale Fertigung im 14. Jahrhundert. Die aufgehenden Wände bestehen aus unregelmäßigem Feldstein- und Bruchsteinmauerwerk mit flächiger, lagerhafter Vermauerung.

Befundmerkmale und Erhaltungszustand: Das Mauerwerk zeigt keine Hinweise auf nachträgliche Eingriffe, Setzungen oder Verstärkungen. Eine bauliche Trennfuge zwischen Wand und Gewölbe ist nicht vorhanden. Die homogene Mörtelstruktur, der durchgehende Ziegelverband und das Fehlen sekundärer Baumerkmale bestätigen die bauzeitliche Ausführung. Die Oberflächen zeigen keine Spuren barocker Überformungen, profilierter Umbauten oder dekorativer Putzfassungen. Der Raum ist funktional schlicht, ohne architektonischen Schmuck oder Repräsentationsmerkmale. Putzreste sind fragmentarisch an der Gewölbeunterseite vorhanden, zeigen aber keine farbige Fassung oder ikonografische Spuren.

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Nordostecke des nördlichen Gewölberaums: Die Nordost-Ecke des nördlichen Kellerraums im Erdgeschoss des Palas dokumentiert exemplarisch die bauzeitliche Ausführung der Gewölbe- und Wandstrukturen. Das gedrückte Tonnengewölbe ist hier vollständig erhalten und besteht aus kleinformatigen, handgeformten Ziegeln, die in einem längsgerichteten Läuferverband entlang der Tonnenachse verlegt wurden. Der Gewölbeansatz erfolgt flach und ohne Ausbildung eines Kämpfers oder zusätzlicher Gliederungselemente direkt auf das aufgehende Mauerwerk – ein Merkmal, das für die funktional-statische Bauweise hochmittelalterlicher Kellergewölbe in der Altmark typisch ist. Die angrenzende Nordwand zeigt einen Mischverband aus Bruch- und Backsteinen mit unregelmäßiger, jedoch durchgehender Lagerung. Trotz leichter Unsauberkeiten in der Schichtung ergeben sich keine Hinweise auf spätere Aufmauerungen, Einfügungen oder sekundäre Schalen. Die Fugenverläufe, Steinformate und die Mörtelstruktur sind durchgehend homogen. Insbesondere das Fehlen von Versatzfugen oder Materialwechseln spricht für eine simultane Errichtung von Wand und Gewölbe im Zuge einer einheitlichen Bauphase. Der Befund stützt damit maßgeblich die Einordnung des nördlichen Gewölberaums als bauzeitlich erhaltene Struktur aus der Erstbauphase um 1340.

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Nördliches Tonnengewölbe des Palas mit Anschluss an die westliche Außenwand

Fensteröffnung: Das Fenster ist bauzeitlich und in der südöstlichen Ecke des tonnengewölbten Raumes positioniert (vgl. Befund B1). Es ist kleinformatig (ca. 40 × 40 cm) und weist eine äußere segmentbogige Ziegellaibung auf, die in das ursprüngliche Bruchsteinmauerwerk eingebunden ist. Der äußere Bereich zeigt eine partielle spätere Ausbesserung mit einem Ziegel des Typs „Kehnert“, was auf eine Reparatur im 19. Jahrhundert hinweist. Die Grundstruktur der Öffnung bleibt dennoch original und entspricht in Form, Lage und Material der Bauphase um 1340. Der Befund unterstreicht die kontinuierliche Nutzung und funktionale Lichtführung im hochmittelalterlichen Kellerraum.

Funktionale Bewertung: Die Raumkonzeption deutet auf eine Lager- und Versorgungsfunktion innerhalb der mittelalterlichen Burgstruktur hin. Der Zugang über den Umkehrgang sowie die gezielte Lichtführung und der Verzicht auf dekorative Merkmale bestätigen eine funktionale Nutzung, vermutlich für die Aufbewahrung temperaturempfindlicher Vorräte. Die Raumgeometrie, Materialität und statische Ausführung belegen die Planung als wirtschaftlich genutzter Kellerraum.

Bauhistorische Bewertung: Das nördliche Tonnengewölbe stellt ein authentisches Beispiel hochmittelalterlicher Kellerarchitektur im norddeutschen Burgenbau dar. Es ist bauzeitlich um 1340 entstanden und besitzt durch seinen Erhaltungszustand, seine präzise handwerkliche Ausführung und die funktionale Klarheit eine besondere Bedeutung für die baugeschichtliche Bewertung der Gesamtanlage Burg Angern.

Empfehlung: Das Gewölbe ist substanzgesichert und sollte bauarchäologisch vollständig dokumentiert werden. Eine bauphysikalische Untersuchung der Mörtelproben, Ziegelmaterialien sowie der Wandlagerung könnte weitere Rückschlüsse auf Herstellungsweise, Transportwege und regionale Baupraktiken ermöglichen. Eine 3D-Erfassung durch Laserscan oder Strukturlicht-Scanning wäre für die langfristige Dokumentation und digitale Rekonstruktion empfehlenswert.

Befund A2: Südliches Tonnengewölbe des Palas der Burg Angern

Lage und Kontext: Das südliche Tonnengewölbe liegt unmittelbar angrenzend an den südlichen Rand des Palas-Erdgeschosses. Es ist – analog zum nördlichen Gewölbe – rechteckig angelegt (ca. 7,20 × 4,50 m Grundfläche) und vollständig überwölbt. Die Gewölbekalotte zeigt ebenfalls eine gedrückte Tonnenform mit flach ansetzender Wölbung direkt auf die aufgehenden Mauerwerkszonen. Die lichte Höhe beträgt derzeit ca. 2,27 m; eine ursprünglich höhere Ausformung wird durch Terrainaufschüttungen im 17. Jahrhundert überdeckt.

Baustruktur und Material: Wie im nördlichen Raum ist die Gewölbekonstruktion in vollständiger Ziegeltechnik ausgeführt. Der verwendete Ziegelverband folgt einem Läufermuster längs zur Tonnenachse. Die Ziegelmaße stimmen mit dem Klosterformat überein. Die Ziegel sind unverziert, weisen jedoch regelmäßige Form, weitgehend gleichmäßige Brennfarbe (hellrot bis orange) und typische Merkmale handwerklicher Fertigung auf. Das aufgehende Mauerwerk besteht aus einer Mischstruktur (opus mixtum) aus Bruchstein, Feldstein und vereinzelten Ziegelpartien. Die Fugen sind mit kalkhaltigem Mörtel verschlossen, der grobkörnige Zuschläge enthält. Mörtelstruktur, Fugenverlauf und Materialauswahl sind identisch mit den benachbarten Mauerabschnitten und dem nördlichen Gewölberaum.

Funktionale Indizien: Die Position des Raumes am südlichen Rand des Palas sowie der auffällige Materialwechsel zwischen Wand und Gewölbe sprechen für eine bauzeitliche Nutzung als Speicher- oder Vorratsraum. Die Schlichtheit der Ausführung – kein Kämpfer, keine Rippen, keine dekorativen Elemente – sowie die Nähe zum ursprünglich mittig gelegenen Eingang des Palas (heute vermauert) deuten auf eine infrastrukturell zentrale Funktion hin. Bauliche Details wie eine ehemalige Türöffnung im westlichen Bereich und Hinweise auf sekundär verschlossene Wandzonen stützen diese Annahme.

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südliches Tonnengewölbe des Palas mit Materialwechsel zwischen Wand und Gewölbe

Besonderheiten: Im südlichen Gewölberaum ist die ursprüngliche Konstruktion besonders klar ablesbar: Der Übergang zwischen Bruchsteinwand und Ziegelgewölbe ist ohne Trennfuge, mit durchgehender Mörtelstruktur und ohne Hinweise auf eine nachträgliche Einwölbung gestaltet. Die bautechnische Kontinuität spricht klar für eine gleichzeitige Errichtung. Diese Situation erlaubt eine eindeutige Datierung in die Erstbauphase um 1340. Putzreste sind nur fragmentarisch vorhanden. Hinweise auf sekundäre Nutzungen oder Überformungen fehlen.

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Erhaltungszustand: Der Raum ist in substanzgesichertem Zustand überliefert. Die Gewölbestruktur zeigt keine relevanten Schäden, Risse oder Setzungen. Lediglich an der Südwand sind minimale Abplatzungen sichtbar, vermutlich infolge späterer Durchfeuchtung. Der Raum ist nicht begehbar, aber von außen über eine ehemalige Türöffnung einsehbar.

Fensteröffnung: Das Fenster ist bauzeitlich und asymmetrisch in der nordöstlichen Ecke des tonnengewölbten Raumes angelegt (vgl. Befund B2). Die äußere segmentbogige Ziegellaibung besteht aus hochkant vermauerten Handstrichziegeln und ist homogen in das umliegende Bruchsteinmauerwerk eingebunden. An der Außenseite sind stark korrodierte Reste eines horizontalen Sicherungselements erkennbar (vgl. Befund B3) – vermutlich ein ursprünglich fest verankerter Eisenstab zur Gitterverriegelung. Der Befund bestätigt die bauzeitliche Lichtführung sowie die Sicherungspraxis hochmittelalterlicher Kellerfenster in funktional genutzten Burgbereichen.

Bauhistorische Bedeutung: Das südliche Tonnengewölbe dokumentiert zusammen mit dem nördlichen Raum ein funktional gegliedertes, in sich geschlossenes Baukonzept der hochmittelalterlichen Palasarchitektur. Die Kombination aus statisch funktionaler Ziegelwölbung, belastbarer opus mixtum-Wandstruktur und gezielter Belichtungsführung über Fensteröffnungen belegt eine hochentwickelte Planungslogik. Im bauhistorischen Vergleich mit anderen Anlagen der Region bestätigt der Raum den Ausnahmecharakter der Burg Angern als weitgehend original überlieferte Wasserburgstruktur.

Schlussfolgerung: Das südliche Tonnengewölbe im Erdgeschoss des Palas ist ein bauzeitliches Bauelement von herausragender Erhaltungsqualität. Seine handwerkliche Ausführung, die homogene Materialstruktur und die funktionale Einbindung in das Raumgefüge der Hauptburg dokumentieren eine planvoll umgesetzte Bauphase um 1340. Der Raum ist damit nicht nur für die Rekonstruktion der mittelalterlichen Nutzung der Burg Angern zentral, sondern auch ein exemplarisches Beispiel für die Wirtschaftsarchitektur im norddeutschen Burgenbau des 14. Jahrhunderts.

Befund A3: Zwischenwand aus opus mixtum im Erdgeschoss des Palas

Lage und Kontext: Die massive Zwischenwand trennt das nördliche und südliche Tonnengewölbe im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern. Sie verläuft exakt in Ost-West-Richtung und nimmt eine zentrale statische wie funktionale Stellung im Baugefüge der Kelleranlage ein. Beide Gewölbe liegen auf gleichem Bodenniveau, was die Wand als verbindendes Element und gleichzeitiges Widerlager für die gegenläufig ansetzenden Tonnenbögen qualifiziert.

Materialität und Bautechnik: Die Zwischenwand besteht aus einem sorgfältig geschichteten opus mixtum-Mauerwerk, das unregelmäßige Bruchsteine und formreguläre Handstrichziegel in horizontal gegliederten Lagen kombiniert. Die Bruchsteine – zumeist lokal gewonnener Feldstein – sind lagerhaft gesetzt, während die Ziegellagen vor allem im oberen Wandbereich regelmäßig und in waagrechtem Verband eingebunden sind. Die Fugenführung ist homogen, die Ziegelformate entsprechen dem im Palasbau verwendeten Klosterformat (ca. 27–29 × 13–14 × 6–7 cm). Der verwendete Kalkmörtel ist grobkörnig, sandreich und entspricht exakt dem Fugenmaterial der angrenzenden Gewölbekappen.

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Wand zwischen nördlichem und südlichem Tonnengewölbe mit opus mixum

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Statische Funktion: Die Wand bildet das zentrale Widerlager der beiden Tonnengewölbe. Ihre Breite und Masse sichern den seitlichen Schub beider Gewölbeanläufe und verhindern deren Auseinanderdriften. Die gleichzeitige Anlage beider Gewölbe und der Trennwand ist durch die durchgehende Lagerung, das einheitliche Fugenbild und das Fehlen jeglicher Baufugen oder nachträglicher Setzungen eindeutig belegt. Sie erfüllt damit eine Doppelfunktion: statisch-konstruktiv als Schubwiderlager und funktional-räumlich als Raumtrenner im Kellerbereich.

Bauzeitliche Einordnung: Die Einheitlichkeit der Wandstruktur und ihre konstruktive Integration belegen die bauzeitliche Errichtung im Zuge der Erstbauphase des Palas um 1340. Es finden sich keine Hinweise auf spätere Ergänzungen, Umbauten oder Überformungen. Auch in der Wand selbst sind keine sekundären Öffnungen, Verstärkungen oder Spolien nachweisbar. Die gleichmäßige Ausführung und das Verhältnis von Bruchstein- zu Ziegellagen entsprechen exakt der Typologie hochmittelalterlicher Kellertrennwände in vergleichbaren Burgen der Altmark (vgl. Beetzendorf, Kalbe/Milde).

Bedeutung für die Bauanalyse: Die Zwischenwand stellt ein wichtiges Element zur Beurteilung der bauzeitlichen Konzeption des Palas dar. Ihre Ausführung als opus mixtum verdeutlicht die funktionale Gliederung des Wirtschaftskellers in zwei Hauptzonen und dokumentiert die gleichzeitige Errichtung von Wand- und Gewölbestruktur. Sie belegt außerdem das differenzierte Planungsniveau der hochmittelalterlichen Bauherren im Hinblick auf statische Erfordernisse, Materialoptimierung und Raumnutzung. Ihre vollständige Erhaltung bietet eine hervorragende Grundlage für zukünftige bautechnische Analysen, konservatorische Maßnahmen und typologische Vergleiche innerhalb der regionalen Burgenarchitektur des 14. Jahrhunderts.

Befund A4: Ziegelmaterial im Erdgeschossgewölbe des Palas

Lage und Kontext: Das Ziegelmaterial, das für die Ausführung der beiden Tonnengewölbe im Erdgeschoss des Palas verwendet wurde, ist ein zentraler Bestandteil der bauzeitlichen Konstruktion der Burg Angern. Die Gewölbe wurden vollständig aus gebrannten Ziegeln errichtet, die in technischer, materieller und typologischer Hinsicht der Baupraxis des 14. Jahrhunderts entsprechen. Die Ziegel kommen ausschließlich in statisch beanspruchten Bereichen zum Einsatz, insbesondere in den Gewölben, Fensterlaibungen und Gangverbindungen. Die aufgehenden Wandbereiche hingegen bestehen überwiegend aus unregelmäßigem Bruchsteinmauerwerk.

Formate und Herstellung: Die Ziegel besitzen ein annähernd einheitliches Maßgefüge mit Längen zwischen 27 und 29 cm, Breiten von 13 bis 14 cm und Höhen von etwa 6 bis 7 cm. Dieses Format entspricht dem sogenannten Klosterformat, wie es im norddeutschen Raum insbesondere im 13. und 14. Jahrhundert verbreitet war. Die Ziegel wurden handgeformt und im Feldbrandverfahren hergestellt. Typische Merkmale dieser Herstellungstechnik sind unregelmäßige Kanten, partielle Verformungen, Schalenausbildungen sowie ein weicher, hellrot bis orangefarbener Brandton. Auf Glasur oder farbliche Oberflächenbehandlung wurde verzichtet.

Verarbeitung und Verbund: Die Ziegel sind in gleichmäßigen Lagen längs zur Tonnenachse verarbeitet und zeigen ein sehr homogenes Fugenbild. Die Fugen sind schmal gehalten, gut ausgefüllt und folgen einem konsequenten Längsverband ohne Rippen oder Gurtbögen. Die Verarbeitung erfolgte mit einem grobkörnigen Kalkmörtel, der deutliche Zuschläge aus Flusssand und Ziegelsplitt enthält. Die Struktur des Mörtels lässt auf eine dezentrale Herstellung aus lokal verfügbaren Materialien schließen.

Funktionale Bewertung: Die Verwendung von Ziegelmaterial ausschließlich im Bereich der Gewölbekonstruktionen unterstreicht deren statisch-funktionale Bedeutung im Gesamtgefüge des Palas. Während Bruchsteinmauerwerk als tragender Außenabschluss und Fundamentkörper diente, ermöglichten die maßhaltigen Ziegel eine präzise Ausführung der Wölbungen mit hoher statischer Effizienz. Diese Differenzierung folgt einem bekannten hochmittelalterlichen Bauprinzip, das auch bei vergleichbaren Anlagen wie in Ziesar oder Kalbe nachgewiesen ist.

Bauzeitliche Einordnung: Sowohl die formale Einheitlichkeit der Ziegel als auch deren Verarbeitung sprechen für eine Entstehung in der Erstbauphase des Palas um das Jahr 1340. Es finden sich keinerlei Hinweise auf spätere Materialwechsel, Einfügungen oder sekundäre Überformungen. Die durchgehende Materialhomogenität und das Fehlen von Trennfugen belegen die gleichzeitige Errichtung der Ziegelgewölbe mit den angrenzenden Bruchsteinwänden im Rahmen einer konsistenten Bauphase.

Erhaltungszustand und Bedeutung: Die Ziegelgewölbe sind in bemerkenswerter Vollständigkeit erhalten. Es bestehen weder größere Substanzverluste noch strukturelle Verformungen. Die Ziegel zeigen lediglich geringe Alterungsspuren, wie Absandungen oder kleinere Erosionszonen, die jedoch keine substanzielle Gefährdung darstellen. Ihr bauhistorischer Wert liegt in der dokumentierten Originalität, der typologischen Klarheit und der exemplarischen Umsetzung hochmittelalterlicher Bauprinzipien im regionalen Kontext der Altmark.

Fazit: Der Befund zum Ziegelmaterial im Erdgeschossgewölbe des Palas der Burg Angern belegt eine bauzeitliche Entstehung um 1340. Die Ziegel entsprechen in Dimension, Herstellung und Verarbeitung dem handwerklichen Standard des hochmittelalterlichen Burgenbaus im norddeutschen Raum. Ihre Verwendung in funktional hoch beanspruchten Bauteilen wie Gewölben, Gängen und Laibungen unterstreicht die differenzierte Materialstrategie des Bauwerks und erlaubt eine eindeutige bauhistorische Zuordnung.

Befund A5: Wandpodest im nördlichen Tonnengewölbe des Palas der Burg Angern

Lage und Beschreibung: Im nordöstlichen Bereich des nördlichen Tonnengewölbes im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern ist ein steinernes Wandpodest erhalten, das fest in das aufgehende Mauerwerk integriert ist. Das Podest misst ca. 90 cm in der Breite, 60 cm in der Tiefe und erhebt sich etwa 35–40 cm über das derzeitige Bodenniveau. Es handelt sich um eine flach ausgebildete, quaderartige Struktur mit bündigem Anschluss an die Nord- und Ostwand des Raumes. Der Übergang zur Wand erfolgt fugenlos; der verwendete Mörtel entspricht in Farbe, Körnung und Bindung dem der angrenzenden Mauerpartien, was für eine bauzeitliche Ausführung im Zusammenhang mit der Errichtung des Gewölberaums um 1340 spricht.

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Baukörper und Materialität: Das Podest besteht aus dicht gefügtem Bruchsteinmauerwerk, das in der Ausführung der aufgehenden Wandstruktur entspricht. An der Stirnfläche sind keine Baufugen, keine sekundären Ergänzungen oder Setzungsspuren erkennbar. Die Oberfläche ist eben, ohne erkennbare Reste von Aufbauten, Umfassungen oder Befestigungen. Die Maßverhältnisse lassen auf eine gezielte bauliche Einfügung in die Raumstruktur schließen.

Funktionale Deutung: Aufgrund seiner Position, der geringen Höhe und des Fehlens jeglicher Spuren thermischer Nutzung (z. B. Hitzerisse, Verfärbungen, Rußablagerungen) kann eine Funktion als Heiz- oder Feuerstelle ausgeschlossen werden. Auch wasserführende Installationen, wie sie für Brau- oder Wascheinrichtungen typisch wären, sind nicht erkennbar. Vielmehr deutet die Kombination aus geschützter Ecklage, Höhenstaffelung und materialer Stabilität auf eine Nutzung als Lagerpodest für empfindliche Vorräte hin. Denkbare Nutzungen umfassen:

  • Lagerung von Flüssigkeiten in irdenen oder metallenen Gefäßen, z. B. Öl, Talg, Essig oder Salzlauge
  • Ablageplatz für Gärgut oder verderbliche Lebensmittel, die durch Distanz zum Boden geschützt werden mussten
  • Verwahrung seltener oder wertvoller Gebrauchsstoffe, etwa zur Konservierung oder Reinigung

Die Positionierung entlang der inneren Funktionsachse des Gewölberaums – in Sichtweite des Fensters und nahe dem Umkehrgang – spricht zudem für eine intendierte Zugänglichkeit im Rahmen eines arbeitsteiligen Nutzungssystems innerhalb des Palas.

Bauhistorische Bewertung: Das Podest ist als integraler Bestandteil der hochmittelalterlichen Erstbauphase des Palas zu bewerten. Die technische Ausführung entspricht den Befunden der angrenzenden Wand- und Gewölbepartien. In Verbindung mit der funktionalen Differenzierung des Raumes – dokumentiert durch Fensterachsen, Lichtführung und Gewölbekonvergenz – unterstreicht das Podest die planerische Ausdifferenzierung der Kellerzone. Es handelt sich um ein selten überliefertes Detail, das auf die komplexe Organisation wirtschaftlicher Prozesse in Adelsresidenzen des 14. Jahrhunderts hinweist.

Denkmalfachliche Bedeutung: Das Wandpodest besitzt als originäres Bauelement hohen dokumentarischen Wert für die Erforschung hochmittelalterlicher Wirtschaftsarchitektur in der Altmark. Es ergänzt die bauzeitlich erhaltene Raumstruktur des Palas um ein funktionales Element, das Einblicke in Lagerlogistik und Versorgungsstrategien innerhalb eines spätmittelalterlichen Burgbetriebs ermöglicht.

Befund A6: Asymmetrische Fensteranordnung in beiden Tonnengewölben 

Beschreibung und Kontext: Ein auffälliges architektonisches Merkmal der beiden erhaltenen Tonnengewölbe im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern ist die asymmetrische Anordnung der Fensteröffnungen. Im südlichen Gewölberaum befindet sich das Fenster außerhalb der Gewöbelängsachse auf der linken Seite, im nördlichen Raum hingegen auf der rechten Seite. Diese systematische Abweichung von der Mittelachse ist kein Indiz für spätere bauliche Veränderungen, sondern stellt ein bewusst gewähltes Konstruktionsmerkmal dar, das auf funktional-statische Überlegungen zurückzuführen ist.

Statische Bewertung: Im Scheitelbereich eines Tonnengewölbes wirken die größten Schub- und Druckkräfte. Eingriffe in diese Zone, etwa durch die Anlage einer Öffnung, würden die statische Integrität der Wölbung erheblich beeinträchtigen. Eine Fensteröffnung im Scheitelbereich wäre nur unter Einsatz zusätzlicher konstruktiver Elemente wie Entlastungsbögen oder Verstärkungen realisierbar gewesen. Die beobachtete Versetzung der Fenster in die seitlichen Wölbzonen vermeidet diese Problematik und erlaubt eine sichere Belichtung ohne Beeinträchtigung der Tragstruktur.

Funktionale Bewertung: Die seitliche Lage der Fenster ermöglicht eine gezielte Belichtung und Belüftung der Räume, wie sie für Wirtschaftskeller im hochmittelalterlichen Burgenbau typisch war. In diesen Nutzungszusammenhängen standen nicht Repräsentation oder Aussicht im Vordergrund, sondern praktische Erwägungen wie Lichtzugang und Luftaustausch. Zugleich erleichtert die Positionierung außerhalb der Raumachse den Zugang zur Fensteröffnung für Wartung und Sicherung. Gerade im Kontext einer Wasserburg mit grabennahen Fassaden war dies von besonderer Relevanz. Die gesicherte Lage der Fenster (z. B. durch Gitter oder Eisenverriegelung) ist bauhistorisch belegbar und in Angern durch korrosive Spuren an einem der Fenster dokumentiert.

Bauhistorische Bedeutung: Die asymmetrische Fensterstellung stellt ein signifikantes bauzeitliches Merkmal dar. Sie dokumentiert die handwerkliche Erfahrung der Bauleute, die statische und funktionale Anforderungen in ästhetisch schlichte, aber konstruktiv durchdachte Lösungen umsetzten. Die Fenster sind integraler Bestandteil des bauzeitlichen Raumkonzepts und unterstreichen die hohe bauliche Authentizität der Palasgewölbe von Angern.

Fazit: Die asymmetrisch angeordneten Fenster in den Tonnengewölben des Palas der Burg Angern sind als bauzeitlich, funktional und statisch begründete Gestaltungselemente zu interpretieren. Sie belegen die differenzierte Planung und Nutzung der Kellerzone und bieten einen weiteren Anhaltspunkt für die Einordnung der Gesamtanlage in die hochmittelalterliche Bauphase um 1340.

Zentrale Indizien für die bauzeitliche Entstehung und Authentizität

Die Einordnung der beiden Tonnengewölbe im Erdgeschoss des Palas der Burg Angern in die Bauphase um 1340 stützt sich auf eine Reihe von architektonisch, materiell und historisch belastbaren Einzelbeobachtungen. Sie lassen sich in folgenden zentralen Befundgruppen zusammenfassen:

  1. Konstruktionsweise der Gewölbe: Beide Räume sind mit gedrückten Tonnengewölben aus kleinformatigen, handgeformten Ziegeln überspannt, die in gleichmäßigen Läuferlagen längs zur Tonnenachse verlegt wurden. Rippen, Gurtbögen, Kämpferprofile oder sonstige Gliederungselemente fehlen vollständig – ein klares Indiz für die funktional-statische Konzeption als Wirtschafts- oder Vorratsräume. Die flach ansetzende Wölbung beginnt unmittelbar oberhalb der aufgehenden Wand ohne Baufuge oder Versatz. Das statisch durchlaufende Fugensystem spricht für eine simultane Errichtung von Wand und Gewölbe.
  2. Materialität und Mauerverband: Die aufgehenden Wände bestehen aus unregelmäßigem Mischmauerwerk (opus mixtum) aus Bruchstein und Ziegeln, mit grobkörnigem, kalkgebundenem Mörtel mit lokaltypischem Zuschlagsmaterial. Der Gewölbebereich ist vollständig in Ziegeltechnik ausgeführt, wobei Ziegelformate, Fugenbild und Mörtelzusammensetzung eine durchgehende bauzeitliche Einheitlichkeit aufweisen. Es finden sich keine Baufugen, keine Spolien, keine Materialwechsel – auch nicht im Bereich der Übergänge oder Ecken.
  3. Einbindung der Zwischenwand: Die Wand zwischen beiden Gewölberäumen besteht aus identischem Mischmauerwerk wie die Raumumschließungen, ohne Anzeichen einer späteren Einfügung. Der Mauerverband ist durchgehend, statisch wirksam eingebunden und ohne Setz- oder Bruchspuren. Dies spricht für die Gleichzeitigkeit von Wand und Gewölben und damit für eine einheitliche Erstbauphase.
  4. Fensteröffnungen und Sicherungselemente: Zwei kleine Fensteröffnungen in der östlichen Außenwand (Palasrückseite) sind asymmetrisch in den unteren Wandzonen positioniert und mit bauzeitlichen, segmentbogigen Ziegellaibungen ausgestattet. Sie sind homogen in das Bruchsteinmauerwerk eingebunden und zeigen keinerlei Spuren nachträglicher Erweiterung oder Einfügung. In einem Fenster sind korrosive Reste eines ursprünglich eingemauerten Sicherungsgitters erkennbar – typologisch eindeutig für Kellerfenster im 14. Jahrhundert.
  5. Einbauspuren und funktionale Details: Im nördlichen Gewölberaum ist ein massives Wandpodest in die nordöstliche Ecke eingebunden, das ohne Fuge mit der Wand errichtet wurde. Funktional spricht vieles für eine Nutzung als Lager- oder Ablagepodest für wertvolle Vorräte oder empfindliche Materialien. Seine bauliche Einbindung und Materialität sprechen klar für die bauzeitliche Entstehung.
  6. Gangstruktur (Umkehrgang): Die Verbindung beider Gewölberäume über einen 180°-Umkehrgang in der Westwand ist vollständig gewölbt, in Wandflucht gesetzt und ohne sekundäre Veränderungen erhalten. Der Gang dokumentiert eine durchdachte Erschließung auf einer Ebene, wie sie für wirtschaftlich genutzte Kellerbereiche im Hochmittelalter funktional typisch war.
  7. Fehlen nachmittelalterlicher Überformungen: Es sind keine Putzfaschen, Setzfugen, Entlastungsbögen, barocken Gliederungen oder Anzeichen nachträglicher Einwölbungen feststellbar. Auch Spuren einer Wiederverwendung älterer Materialien (z. B. geschnittene Kanten, spiegelverkehrte Lagerung, Fremdmörtel) fehlen vollständig.

Literatur

  • Kießling, Rolf: Burgen in Mitteleuropa. Darmstadt: WBG, 2011.
  • Seiler, Alexander: Gewölbebau des Mittelalters – Konstruktion und Typologie. Berlin: Ernst Wasmuth, 2008.
  • Grimm, Paul: Die vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle der Bezirke Halle und Magdeburg, Berlin 1958, S. 360, Nr. 904.
  • Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege: Burg Ziesar – Baugeschichte und Museumskonzeption, 2004.
  • Krahe, Friedrich-Wilhelm: Burgen des deutschen Mittelalters, Würzburg 2000, S. 95.
  • Wäscher, Hermann: Feudalburgen in den Bezirken Halle und Magdeburg, Berlin 1962, Bd. I, S. 37 ff.
  • Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt I, München/Berlin 2002, S. 91 (Angern).
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg sowie einflussreiche Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitzrechte, Lehnsbindungen und lokale Machtstellungen. In diesem territorial instabilen Raum stellte die Gründung der Burg Angern eine gezielte Maßnahme der Erzdiözese Magdeburg dar, um ihren Einfluss militärisch abzusichern und administrativ zu konsolidieren. Die Errichtung einer Wasserburg mit deutlich ausgeprägter Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz vor Ort und fungierte zugleich als sichtbares Machtsymbol gegenüber konkurrierenden Adelsinteressen. Hauptburg Angern Palas, Ringmauer und Wehrgang um 1350
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
Dieser Rundgang durch die Burg Angern um das Jahr 1340 basiert auf einer sorgfältigen Rekonstruktion historischer Quellen, archäologischer Befunde und baugeschichtlicher Analysen. Alle Szenen, Räume und Details wurden unter Berücksichtigung realer Gegebenheiten der mittelalterlichen Anlage entwickelt – etwa der erhaltenen Tonnengewölbe, der typischen Bauweise von Palas, Bergfried und Wirtschaftsflügeln sowie Hinweise aus Inventaren und schriftlichen Überlieferungen. Ziel ist es, nicht nur die äußere Gestalt, sondern auch die Atmosphäre und Lebenswelt einer spätmittelalterlichen Burg erlebbar zu machen – so nah wie möglich an der historischen Realität, doch mit erzählerischer Tiefe. Die Bilder zeigen fotorealistische Rekonstruktionen der Burg Angern um 1350. Sie basieren auf archäologischen Befunden, historischen Quellen und vergleichbarer Bausubstanz – realitätsnah umgesetzt mit moderner KI-Technik.
Die Burg Angern als exemplarische hochmittelalterliche Wasserburg in Norddeutschland. Die Burg Angern zählt zu den wenigen in der norddeutschen Tiefebene erhaltenen Wasserburgen, deren bauliche Struktur, archäologische Substanz und archivalische Überlieferung gleichermaßen außergewöhnlich gut erhalten sind. Obwohl die Errichtung um 1340 chronologisch an der Schwelle zum Spätmittelalter liegt, entspricht die Anlage in ihrer Konzeption, Gliederung und Funktionalität eindeutig dem hochmittelalterlichen Burgentypus. Die Burg vereint in exemplarischer Weise militärische, ökonomische und administrative Funktionen innerhalb eines klar strukturierten und funktional differenzierten Inselburgsystems. Ihre topografische Disposition – bestehend aus zwei künstlich aufgeschütteten Inseln, vollständig umgeben von einem mehrfach gegliederten Grabensystem – dokumentiert eindrucksvoll die strategischen und ingenieurtechnischen Prinzipien des Burgenbaus im mittleren 14. Jahrhundert. Burganlage in Angern mit Vorburg, Hauptburg mit Wehrgängen (orange) und Brücken sowie der Turminsel
Die Vorburg der Burg Angern: Funktionsanalyse und historische Rekonstruktion unter der Annahme mittelalterlicher Vorgängermauern (ca. 1350). Die Vorburg der Burg Angern, wie sie auf einem barockzeitlichen Plan um 1760 dargestellt ist, weist eine markante rechteckige Struktur mit drei langgestreckten Wirtschaftsgebäuden und zwei freistehenden Bauten auf. Auf Grundlage architektonischer Analyse, funktionaler Einteilung sowie typologischer Vergleiche mit anderen mitteleuropäischen Burganlagen lässt sich begründet rekonstruieren, dass die barocken Gebäude auf der Struktur und dem Grundriss einer hochmittelalterlichen Vorburg basieren. Die folgenden Ausführungen widmen sich der Rekonstruktion dieser früheren Vorburg unter der Annahme eines Baubestandes aus der Zeit um 1350. Innenhof der Vorburg Angern mit Wirtschaftsgebäuden (KI-Rekonstruktion)
Die strategische Lage Angerns im Dreißigjährigen Krieg. Angern war zu Beginn des 17. Jahrhunderts Sitz eines ausgedehnten Lehngutes der Familie von der Schulenburg, gelegen an der Grenze zwischen dem Kurfürstentum Brandenburg und den geistlichen Territorien Halberstadt und Magdeburg. Die Burg war Teil eines befestigten Ensembles aus Hauptburg, Vorburg und Turminsel. Ihre Lage machte sie im Kontext konfessioneller Konflikte und durchziehender Heere zu einem militärisch sensiblen Ziel.
Dieses Essay unternimmt den Versuch, die Lebenswirklichkeit im Dorf Angern um das Jahr 1340 nachzuzeichnen – basierend auf überlieferten Urkunden, Inventaren, Dorfordnungen und vergleichenden Regionalanalysen. Es beleuchtet die sozialen Strukturen , das wirtschaftliche Leben , den Alltag der Bevölkerung , und stellt Angern in den Kontext vergleichbarer Dörfer mit ähnlicher Herrschafts- und Wirtschaftsform. Trotz der lückenhaften Quellenlage aus dem 14. Jahrhundert erlauben spätere Ordnungen und bauliche Spuren einen aufschlussreichen Rückblick auf eine Epoche, in der feudale Macht, religiöse Ordnung und agrarische Selbstversorgung das Leben der Menschen bestimmten. Alte Dorfstrasse von Angern im Mittelalter
Die Errichtung der Burg Angern um 1340 – Architektur, Handwerk und Kontext. Die Burg Angern entstand um das Jahr 1340 im Auftrag des Erzbischofs Otto von Magdeburg. Diese Befestigungsanlage war Teil einer territorialpolitischen Sicherungsstrategie des Erzstifts in der südlichen Altmark, nachdem 1336 ein Ausgleich mit dem Markgrafen von Brandenburg erreicht worden war. Die Anlage, gelegen an einer bedeutenden Handelsroute, zählt zu den Wasserburgen des Niederungstyps und zeigt exemplarisch, wie sich Wehrhaftigkeit, Verwaltung und Repräsentation im 14. Jahrhundert architektonisch verbanden.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.