Die Hauptburginsel der Burg Angern bildet den ältesten Kern der Gesamtanlage und vereint Wohn-, Wirtschafts- und Verteidigungsfunktionen. Der erhaltene Palas mit tonnengewölbtem Erdgeschoss, integrierten Fensteröffnungen und einem Umkehrgang belegt eine bauzeitliche Nutzung um 1340. Umgeben von einem Wassergraben, war die Hauptinsel durch eine Brücke mit der Turminsel verbunden und durch eine Ringmauer mit hölzernem Wehrgang gesichert. Die Befunde ermöglichen eine präzise Rekonstruktion hochmittelalterlicher Burgarchitektur in der Altmark.
Befund J1: Hauptburginsel (Kernburg) der Burg Angern
Topografische Lage und Gesamtfunktion: Die Hauptburginsel der Burg Angern stellt den zentralen Baubereich der hochmittelalterlichen Gesamtanlage dar. Sie ist annähernd quadratisch angelegt (ca. 35 × 35 Meter) und ist bis heute auf allen Seiten von einem wasserführenden Graben umgeben. Die Hauptinsel bildete den architektonischen und funktionalen Mittelpunkt des Burgkomplexes mit den Komponenten Verwaltung, Versorgung und Repräsentation.
Palas und Nutzung der Gewöbeebene: Der Palas erstreckte sich entlang der östlichen Ringmauer (vgl. Befund D1), nahm jedoch wahrscheinlich nicht die gesamte Ostseite der Hauptinsel ein. Zu beiden Seiten verblieb ein Abstand zur jeweiligen Ecksituation der Ringmauer. Sein erhaltenes tonnengewölbtes Erdgeschoss (vgl. Befunde A1–A6) belegt die Nutzung als Vorrats- und Funktionsbereich. Die Gewölbe weisen bauzeitliche Fensteröffnungen (vgl. Befunde B1 bis B3), ein Wandpodest (vgl. Befund A5), eine interne Treppe (vgl. Befund C1) sowie einen Umkehrgang (vgl. Befund A7) auf. Diese Elemente sprechen für eine wirtschaftlich differenzierte Raumnutzung im 14. Jahrhundert. Die oberen Geschosse des Palas dienten vermutlich Wohn- und Repräsentationszwecken. Der Palas war mit seiner Rückwand direkt in die östliche Ringmauer integriert, was seine Doppelfunktion als Wohn- und Wehrbau unterstreicht.
Ringmauer und Wehrgang: Die Hauptinsel der Burg Angern war vollständig von einer umlaufenden Ringmauer eingefasst (vgl. Befunde E1 bis E4), deren Errichtung in die hochmittelalterliche Erstbauphase um 1340 fällt. Der untere Bereich besteht aus unbehauenem Bruchstein, während der obere Abschnitt teilweise in Ziegelmauerwerk ausgeführt ist. Entlang der Innenseite verlief – mit Ausnahme des Palasbereichs – vermutlich ein schlichter hölzerner Wehrgang in Form eines aufliegenden Balkenstegs ohne Brüstung oder Dach. Diese Annahme stützt sich auf vergleichbare Befunde aus dem regionalen Burgenbau des 14. Jahrhunderts, etwa in Ziesar, Kalbe und Beetzendorf.
KI generierte Rekonstruktion der Hauptburg mit Palas, Ringmauer, Wehrgang und Bergfried
Spuren fester wirtschaftlicher Anbauten an die Ringmauer sind aufgrund der großflächigen Verfüllung des Innenhofs derzeit nicht nachweisbar. Eine funktionale Nutzung angrenzender Zonen kann jedoch aufgrund der Gesamtstruktur angenommen werden. Die westliche Ringmauer weist zudem zugemauerte Fensteröffnungen auf, die auf eine Nutzung der Mauerstruktur als Gebäudewand im späten 17. Jahrhundert hindeuten. Diese Veränderungen erfolgten nach der Zerstörung von 1631 und vor dem barocken Ausbau ab 1735.
Brückenverbindungen: Die Brückenverbindung über den westlichen Wassergraben war von zentraler Bedeutung für die Erschließung und Verteidigung der Hauptburg. Die heute noch erhaltene Bruchsteinbrücke stammt aus der Zeit um 1870 (vgl. Befund J2) und überformt einen älteren hölzernen Bohlensteg oder hölzernen Balkensteg (vgl. Befund J3). Für das Mittelalter ist mit einer Zugbrückenkonstruktion zu rechnen, deren Position durch historische Bauachsen belegt, deren Substanz jedoch nicht mehr erhalten ist. Eine zweite, sekundäre Brückenverbindung bestand zur Turminsel im Süden, die den Bergfried und die autarke Brunnenversorgung aufnahm. Diese Verbindung ermöglichte taktische Rückzüge und diente der inneren Versorgungssicherung im Verteidigungsfall.
Stich von Duncker mit Hauptburg, Palas Erdgeschoss, hölzerner Brücke (vor 1870) und neuzeitlich bebauter Turminsel
Funktionale Einordnung: Die Hauptinsel der Burg Angern war als operativer, wirtschaftlicher und symbolischer Mittelpunkt der Gesamtanlage konzipiert. Die Kombination aus Gewölbeebene, Wehrmauer mit Wehrgang, gezielter Brückenanbindung und vertikaler Erschließung durch eine interne Treppe dokumentiert die hochmittelalterliche Planungslogik einer rational organisierten Wasserburg. Ihre heutige Bausubstanz erlaubt eine weitgehend eindeutige Rekonstruktion der funktionalen Teilbereiche und ihrer Wechselbeziehungen.