Die Familie von der Schulenburg und ihre Verbindung zu Angern. Neben ihrer herausragenden Stellung als Ritter und Landbesitzer prägten Mitglieder der Familie von der Schulenburg in verschiedenen historischen Epochen das politische, militärische und diplomatische Geschehen. Bereits im frühen 18. Jahrhundert war Graf Matthias Johann von der Schulenburg aus dem Haus Emden eine der bedeutendsten Persönlichkeiten seiner Zeit. Als venezianischer Feldherr errang er 1716 bei der Verteidigung von Korfu gegen das Osmanische Reich europaweite Berühmtheit und wurde zum Symbol adliger Wehrhaftigkeit im Zeitalter des Barock. Auch während der Aufklärung stellte die Familie einflussreiche Staatsmänner, Diplomaten und Militärs, die an den Höfen Europas wirkten. Ihre ausgedehnten Besitzungen – insbesondere in der Altmark, aber auch darüber hinaus – bildeten die wirtschaftliche Grundlage für diese überregionale Wirkung.
Anfänge in Angern (15. Jahrhundert)
Die Verbindung der Familie von der Schulenburg mit Angern reicht bis ins Jahr 1424 zurück. Damals erscheinen die Brüder Ritter Barndt und Werner von der Schulenburg erstmals urkundlich in Angern. Nächst Beetzendorf ist Angern damit das zweitälteste kontinuierlich von Schulenburgs besessene Rittergut. In jenem Jahr erhielten Bernhard VI. und Werner VIII. aus dem schwarzen Stamm gemeinsam mit Dietrich von Zerbst einen Pfandbesitz an Angern, den sie jedoch nicht dauerhaft halten konnten.
Dafür gelingt es 1448 den Söhnen Fritz I und den Vettern Busso I (68), Bernhard VIII (72) und Matthias I (76) - allesamt aus der Linie des weißen Stammes – das Gut Angern mit Zubehör als Erblehen zu rechtem männlichen Leben vom Erzbischof von Magdeburg erwerben. Dabei wurde das Lehen unter den drei Hauptlinien aufgeteilt: die mittlere und die jüngere Linie erhielten den Burghof Angern, die ältere Linie den außerhalb gelegenen Rittersitz Vergunst. Diese drei Brüder gelten als Stammväter der älteren, mittleren und jüngeren Linien des weißen Stammes, von denen die ältere und die jüngere bis in die Gegenwart fortbestehen. Zum Gutsverband gehörte auch Ramstedt, das – mit Unterbrechungen im 19. und 20. Jahrhundert – fast durchgehend im Familienbesitz blieb.
Erweiterung des Besitzes: Altenhausen und Emden
Bereits 1417 ist Busso I als Mitpfandbesitzer von Altenhausen belegt, das zuvor seinem Schwiegervater Jahn von Oberg als Pfandinhaber zugefallen war. 1475, kurz vor seinem Tod, erwarben Matthias I und sein Sohn Bernhard XI. (113) mit Erlaubnis des Magdeburger Erzbischofs das Schloss Altenhausen von Ortgis Klencke. 1485 wurde der erste förmliche Lehensbrief mit Zustimmung des Domkapitels ausgestellt. Zu Altenhausen gehörte auch Bodendorf, das sich erst später verselbständigte, sowie die Mark Schricke, die jedoch später dem Gutsverband Angern zugewiesen wurde. Bernhard XI. erwarb von der Äbtissin von Althaldensleben auch die Klostergüter in Emden zurück. Weitere Güter konnten durch die erhebliche Mitgift seiner Ehefrau zeitweilig hinzugewonnen werden, jedoch nicht dauerhaft in Familienbesitz gehalten werden.
Fideikommiss und Besitzteilung
Im Jahr 1567 wurde das Lehen Angern – analog zu Altenhausen – in ein Fideikommiss überführt, also in ein unveräußerliches Stammgut umgewandelt, das nur in der männlichen Linie weitervererbt werden durfte. Damit wurde verhindert, dass der Besitz nach dem Tod eines Lehnsinhabers an die Kirche oder außenstehende Erben fiel. Die drei Linien vererbten ihre jeweiligen Anteile jedoch getrennt weiter, was im Laufe der Jahrhunderte zu einer zunehmenden Zersplitterung des Gesamtbesitzes führte.
Die Rolle im Dreißigjährigen Krieg
Der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) brachte für das Haus von der Schulenburg – wie für viele Adelsfamilien der Altmark – tiefgreifende Verluste an Besitz, Einfluss und Infrastruktur mit sich. Henning III. von der Schulenburg, der zu dieser Zeit den Angerner Besitz verwaltete, residierte mit seiner Familie auf der Burg Angern, die im Sommer 1631 nach der Verwüstung Magdeburgs durch marodierende Einheiten des Holkschen Regiments, die zu Truppen der katholischen Liga unter General Tilly gehörten, verwüstet wurde.
Der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) brachte für das Haus von der Schulenburg – wie für viele Adelsfamilien der Altmark – tiefgreifende Verluste an Besitz, Einfluss und Infrastruktur mit sich. Henning III. von der Schulenburg, der zu dieser Zeit den Angerner Besitz verwaltete, residierte mit seiner Familie auf der Burg Angern, die im Sommer 1631, kurz nach der Zerstörung Magdeburgs, von marodierenden Einheiten des Holkschen Regiments überfallen und verwüstet wurde. Diese Truppen standen unter dem berüchtigten Obristen Heinrich von Holk, der zu den kaiserlich-ligistischen Kräften zählte, jedoch mit großer Eigenmächtigkeit und brutaler Gewalt in der Region agierte.
Der Wiederaufbau der Anlage geschah unter schwierigen Bedingungen. Nach dem Tod Henning III. im Jahr 1637 übernahm sein Sohn Heinrich XI. von der Schulenburg die Verwaltung der zerstörten Besitzung. Die Wiederherstellung konzentrierte sich zunächst auf landwirtschaftliche Strukturen und wirtschaftliche Funktionsgebäude; ein vollständiger Wiederaufbau der mittelalterlichen Kernburg unterblieb. Stattdessen entstanden ab dem späten 17. Jahrhundert Anbauten an der ehemaligen Ringmauer der Hauptburg sowie barocke Neubauten auf der Turminsel.
Konsolidierung unter Christoph Daniel von der Schulenburg
Erst Christoph Daniel von der Schulenburg gelang es im 18. Jahrhundert, die zersplitterten Besitzanteile wieder zu vereinen. Der in sardinischen Diensten zu beträchtlichem Reichtum gelangte Adlige erwarb 1734 und 1738 durch Rückkauf alle Anteile an Gut und Burg Angern. Er ließ das heutige barocke Schloss errichten, die Dorfkirche erneuern und durch Stiftungen ausstatten. In seine Zeit fällt der Höhepunkt der gutsherrlichen Repräsentation der Familie in Angern.
v.l.n.r.:
- 1. Rose v. Schöning (sitzend) - Schwester von 4
- 2. Wilhelm Christoph Daniel Sigurd Schulenburg (stehend) - Sohn von 8, Enkel von 6, Bruder von 3, 7 und 9
- 3. Ilse Schulenburg (Kind mit Hut-stehend) - Tochter von 8 usw.
- 4. Helene Schulenburg geb. v. Schöning (sitzend) - Ehefrau von 6, Mutter von 8, Großmutter von 2, 3, 7 und 9
- 5. Kindermädchen Frl. Lembke (stehend)
- 6. Edo Friedrich Christoph Daniel Schulenburg (sitzend auf Stock gestützt) - Ehemann von 4, Vater von 8, Großvater von 2, 3, 7 und 9
- 7. Edith Schulenburg (sitzend) - später Frau v. Bismarck-Briest, Tochter von 8, Schwester von 2, usw.
- 8. Friedrich (Fritz) Christoph Daniel Schulenburg (stehend mit Hut) - Sohn von 4 und 6, Vater von 2, 3, 7 und 9
- 9. Gisela Schulenburg (Kind stehend mit Zöpfen) - später Gräfin v. Wintzingerode-Bodenstein, Tochter von 8, Enkelin von 4 und 6, Schwester von 2, 3 und 7.
Enteignung und Rückkehr
Im Zuge der Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone wurde das Schloss Angern 1949 entschädigungslos enteignet. Das Herrenhaus, die Wirtschaftsgebäude und rund 1800 Hektar Land- und Forstfläche gingen in Volkseigentum über.
Erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands kehrte die Familie Graf von der Schulenburg im Jahr 1998 symbolisch nach Angern zurück. Damit schloss sich ein Kreis von mehr als 550 Jahren adliger Verbindung zur Region, deren Spuren im kulturellen Erbe, in archivalischen Überlieferungen und baulichen Resten bis heute sichtbar geblieben sind.