Die Aufspaltung des weißen Stammes derer von der Schulenburg und ihre territorial-politische Entwicklung (15.–18. Jahrhundert). Im Verlauf des 14. Jahrhunderts kam es innerhalb der Familie von der Schulenburg zu einer grundlegenden genealogischen Aufspaltung in der Altmark. Dietrich II., der zwischen 1304 und 1340 nachweisbar ist, begründete die sogenannte schwarze Linie, während sein jüngerer Bruder Bernhard I., der nach 1340 noch lebte, als Stammvater der weißen Linie gilt. Beide Linien entwickelten sich in den folgenden Jahrhunderten weiter, wobei sich innerhalb der weißen Linie eine differenzierte Gliederung in Äste, Zweige und Häuser herausbildete – ein typisches Phänomen dynastischer Differenzierung im niederen Adel des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Mitteleuropa.
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Ein markanter Ausgangspunkt dieser Entwicklung liegt in der Generation der drei Söhne des Ritters Fritz I von der Schulenburg (1350–1415). Busso I., Bernhard VIII. und Matthias I. Die drei Brüder traten in den Dienst des Erzbischofs, den die schulenburgische Sippe noch vor wenigen Jahren erbittert bekämpft hatte, und erhielten an Stelle der vereinbarten Besoldung am 28. April 1438 einen Freihof und fünf Hufen Landes zu Barleben als Gesamthänder zu erblichem Lehen. Von da an mehrte sich der Besitz der Brüder im Erzstift rasch. Am 20. und 22. August 1448 wurden die drei Brüder durch Lehnbrief des Erzbischofs Friedrich von Magdeburg mit der Herrschaft Angern zu rechten männlichen Lehen beliehen.
Gemeinsamer Ursprung und frühe Kooperation
Trotz der späteren Zersplitterung lassen sich im 15. Jahrhundert zunächst starke gemeinschaftliche Bindungen der drei Brüder feststellen. Gemeinsam traten sie in den Dienst des Erzbischofs von Magdeburg und erhielten von diesem 1438 das Lehen Barleben und 1448 das strategisch bedeutende Gut Angern in der Altmark. Diese Belehnungen markieren nicht nur den Eintritt des weißen Stammes in den politischen Orbit des Erzstifts Magdeburg, sondern auch einen Wendepunkt in der Geschichte der Familie, die bis dahin mit der Landeskirche teils verfeindet gewesen war. In dieser Phase war die Brüderkooperation eng: Alle drei wurden 1443 Mitglieder des prestigeträchtigen Schwanenordens, eines ritterlich-höfischen Netzwerks, das dem sozialen Aufstieg diente. Die Brüder agierten weitgehend als Gesamthänder, was dem damaligen Lehensrecht entsprach und die rechtliche Grundlage für ihre gemeinsamen Besitz- und Machtansprüche bildete.
Territoriale Teilung und genealogische Differenzierung
Doch bereits kurz nach der Belehnung mit Angern ist eine erste faktische Aufteilung des Besitzes greifbar. Die Brüder scheinen – analog zur Teilung von Beetzendorf – auch das Gut Angern früh unter sich aufgeteilt zu haben. Diese Fragmentierung begünstigte die Entstehung dreier genealogischer Linien:
- Die ältere Linie unter Busso I besaß u. a. Anteile an Beetzendorf und Angern-Vergunst und erwarb später Osterwohle und Hehlen.
- Die mittlere Linie unter Bernhard VIII blieb zunächst ohne Anteil an Angern oder Beetzendorf und etablierte sich später auf Gütern wie Reinsdorf, Schochwitz und Erdeborn.
- Die jüngere Linie unter Matthias I begründete ihren Schwerpunkt auf Burg Angern und Altenhausen, mit späteren Abzweigungen u. a. nach Emden und Burgscheidungen.
Diese genealogische Aufspaltung hatte tiefgreifende Folgen für die Besitzstruktur und die strategische Ausrichtung der Familie. Während die Brüder zu Beginn als politisch geeinte Gruppe auftraten, differenzierte sich die Familie im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts zunehmend in territorial getrennte Herrschaftseinheiten.
Die drei Zweige der Familie von der Schulenburg in Angern entstanden im 15. Jahrhundert, als die Brüder den Besitz unter sich aufteilten: Busso erhielt das Gut Vergunst, Bernhard den Alten Hof, und Matthias den Burghof in Angern. Diese Teilung führte zur Entstehung des älteren, mittleren und jüngeren Zweigs, die bis ins 18. Jahrhundert das Bild der Herrschaft in Angern prägten.
Die ältere Linie (Gut Vergunst)
Der sogenannte ältere Linie des weißen Stammes der Familie von der Schulenburg wird begründet von Busso I (Nr. 68). Er war am 12. April 1414 noch unmündig und am 15. April 1415 mündig, er dürfte also um 1396 geboren sein. Seit 6.8.1424 erscheint er als Ritter. Durch seine um diese Zeit geschlossene Ehe mit Ilse von Oberg, Tochter des Pfandinhabers von Altenhausen, wurden Beziehungen zum Erzstift Magdeburg geknüpft. Sein Sohn Busso II (1469-1508) besaß das Gut Vergunst, hinzu kam bis 1560 die magdeburgische Pfandschaft Sandau.
Im 16. Jahrhundert kam es zu einer zunehmenden Verzweigung dieses Familienzweigs. Besonders bedeutsam war die Linie des Hans VIII, dessen Söhne Kaspar III und Hans IX die Häuser Polleben und Burgörner in der Grafschaft Mansfeld gründeten. Diese Linien starben jedoch bereits in den Jahren 1631 bzw. 1633 aus, und die entsprechenden Güter gingen im Zuge des Dreißigjährigen Krieges verloren.
Die in Angern ansässigen Söhne von Hans VIII teilten um 1560 den väterlichen Besitz neu auf: Busso VI erhielt einen Anteil an Angern-Vergunst und erwarb zwischen 1558 und 1561 zusätzlich Teile der mittleren Linie an Angern auf Wiederkauf. Fritz IX übernahm das Vorwerk Ütz, das sich später zu einem eigenständigen Gut entwickelte. Zugleich veräußerte Busso VI seinen Anteil an Beetzendorf 1562 an Mitglieder der mittleren Linie.
Der Mannesstamm des ältestens Sohns von Busso II, nämlich die von Busso IV († 1564) (Nr. 164), erlosch mit seinem gleichnamigen Enkel (Nr. 381) auf Wolterslage 1564, der Mannesstamm seines jüngsten Sohns Christoph II erlosch im Jahr 1654 mit Werner XX, nachdem zwei seiner Söhne 1641 kurz hintereinander gefallen waren. Werner XX erlebte 1626 die Zerstörung seines Hofes in Angern-Vergunst durch Wallensteins Truppen. Er ist zugleich der Erbauer des später sogenannten „Werners Hofs“ in Beetzendorf. Nach seinem Tod war der gesamte Besitz stark überschuldet. Durch zwei Vergleiche mit seinen Töchtern in den Jahren 1662 und 1665, die offenbar zu den Hauptgläubigern gehörten, konnte ein Konkurs abgewendet werden. Drei Jahre später starb mit Kaspar Ernst († auf Ütz) der letzte männliche Nachkomme dieser Linie. Er vereinigte in seiner Person nochmals den gesamten Lehensbesitz des Busso-II-Astes, darunter Utz, Angern-Vergunst, Teile von Beetzendorf, Ramstedt und Althansensteil. Doch auch dieser Besitz war faktisch nicht mehr nutzbar, da er weitgehend in den Händen von Gläubigern lag. Erst nach langwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen gelang es Friedrich Achaz, einem entfernten Vetter und letzten Erben der älteren Linie des weißen Stammes, die zerfallene Besitzstruktur neu zu ordnen. Damit endete dieser bedeutende Ast der Familie im Mannesstamm – ein Schicksal, das exemplarisch für viele Adelsfamilien der frühen Neuzeit steht, die durch Krieg, Überschuldung und Erbteilungen in existentielle Krisen gerieten.
Die auf Angern verbliebenen Söhne von Hans VIII teilten sich um 1560 den väterlichen Anteil so, dass Busso VI (Nr. 242) einen Anteil an Angern-Vergunst, Fritz IX (Nr. 249) das angernsche Vorwerk Ütz erhielt, das sich zu einem selbstständigen Gut entwickelte. Busso VI erwarb 1558/61 die Hälfte des Anteils der mittleren Linie des weißen Stammes an Angern auf Wiederkauf und veräußerte 1562 seinen Anteil an Beetzendorf an Christoph V und Wedige I. Busso VI. von der Schulenburg (†1601) und sein Sohn Hans XII. († 1625), gaten bis in das frühe 17. Jahrhundert als primäre Besitzträger von Gut Vergunst. Bereits unter Busso VI. kam es jedoch zu einer existenzbedrohenden finanziellen Schieflage: Ein Konkursverfahren führte zur vorübergehenden Veräußerung von fünf Achteln des Gutes an Gläubiger. Erst Hans XII. konnte im Jahr 1605 im Rahmen eines Vergleichs die Rückführung dieser Anteile erreichen und den Besitz formal konsolidieren. Allerdings starben seine männlichen Nachkommen frühzeitig, sodass die Linie im Mannesstamm ausstarb. In der Folge entbrannte ein langwieriger Erbschaftsstreit, bei dem insbesondere die Abgrenzung zwischen Allodial- und Lehensgütern rechtlich umstritten war. Erst 1667 gelang eine abschließende Beilegung der Auseinandersetzungen. Das Aussterben dieser Linie markierte nicht nur den Verlust eines angestammten Besitzträgers, sondern auch einen tiefen Einschnitt in der genealogischen und wirtschaftlichen Kontinuität der Schulenburgschen Gutsverwaltung in Angern.
Die Quelle Rep. H Angern Nr. 271 dokumentiert einen Vergleich zwischen dem „kurzen“ und „langen“ Busse von der Schulenburg- gemeint sind Busso von der Schulenburg (Nr. 349 im Stammbuch) und Busso VI. von der Schulenburg (†1601) (Nr. 242) und der Dorfgemeinde Angern. Der Vertrag regelt 1563 umfassend bäuerliche Pflichten, Abgaben und Dienste und gibt damit exemplarisch Einblick in die Herrschaftsverhältnisse der Altmark im Übergang zur Frühneuzeit. Zugleich zeigt die Quelle die Rolle der Obrigkeit als vermittelnde Instanz und dokumentiert den Wandel von feudaler Bindung zu regelbasierter Gutsherrschaft.
Die mittlere Linie (Der alte Hof)
Die mittlere Linie der Familie von der Schulenburg, begründet durch Bernhard VIII von der Schulenburg (1424–1470), war mit dem sogenannten Alten Hof unmittelbar neben der Kirche in Angern belehnt. Im Gegensatz zum älteren (Vergunst) und jüngeren (Burghof) Zweig blieb dieser Besitz räumlich enger mit dem Dorfkern verbunden. Bereits im Verlauf des 16. Jahrhunderts geriet der mittlere Zweig mit dem Sohn Bernhards X - Christoph III (Nr. 170) - bedingt durch Darlehens- und Pfandgeschäfte mit dem Herzog Heinrich dem Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel zunehmend unter wirtschaftlichen Druck und verlor nach und nach an Bedeutung. Ein entscheidender Wendepunkt war der 29. Juli 1561, in dem Christoph III. seinen Besitz am Alten Hof in Angern in zwei Teilen veräußerte: Die eine Hälfte ging an Busso VI und somit an die ältere Linie (Gut Vergunst), die andere an Jakob II. (Nr. 294) und somit an die jüngere Linie (Burghof). Mit dieser Transaktion erlosch der mittlere Zweig als eigenständiger Besitzträger innerhalb der Familie und wurde faktisch in die beiden benachbarten Linien eingegliedert.
Die jüngere Linie (Burghof)
Die jüngere Linie der Familie von der Schulenburg beginnt mit Matthias I. von der Schulenburg (1410–1479) (Nr. 76), der durch die Besitzteilung von 1448 den Burghof Angern als magdeburgisches Lehen erhielt. Dies markierte den Start einer über fünf Jahrhunderte währenden Präsenz dieser Linie in der Altmark .
Sein Sohn, Bernhard XI (1475-ca. 1500) (Nr. 113), übernahm den Burghof und überführte ihn erfolgreich in die nächste Generation. Ihm folgte Matthias III (1506-1542) (Nr. 161), der die Linie während der prägenden Reformationszeit festigte. Unter Daniel I (1538–1594, Nr. 312) wurde der Besitz in Angern-Vergunst weiter ausgeweitet und stabil konsolidiert .
Henning III (1587-1637) (Nr. 440) war jüngster Sohn von Daniel I und übernahm nach dessen Tod den Besitz in Angern. In seine Amtszeit fiel der Dreißigjährige Krieg, in dem das Gut schwer getroffen wurde: 1626 wurde Angern von Truppen Wallensteins niedergebrannt, 1631 erneut verwüstet. Henning III verblieb trotz der Katastrophen auf dem Gut, nahm Angehörige aus der Verwandtschaft auf und bemühte sich um erste Wiederherstellungen. Er war mit Elisabeth von Alvensleben verheiratet und hinterließ bei seinem Tod 1637 den stark beschädigten Besitz seinem minderjährigen Sohn Heinrich XI.
Heinrich XI (1621-1691) (Nr. 627) war der einzige überlebende Sohn von Henning III und übernahm das stark zerstörte Rittergut Angern nach dessen Tod im Jahr 1637. Zu diesem Zeitpunkt war Heinrich erst 16 Jahre alt. Die Ausgangslage war kritisch: Das Gut war während des Dreißigjährigen Krieges 1626 und 1631 durch Truppen Wallensteins niedergebrannt und das Dorf weitgehend entvölkert worden. Heinrich XI setzte während seiner langen Lebenszeit schrittweise die Wiederherstellung der Güter und Hofwirtschaft um. Seine Hauptleistung bestand in der Sicherung des Restbesitzes und der Aufrechterhaltung des Lehensverhältnisses zum Erzstift Magdeburg. Nachkommen von Heinrich XI bildeten die letzte Generation, die das Rittergut Angern noch ungeteilt in direkter Linie hielt.
Henning Christoph (1648-1683) (Nr. 752): Henning Christoph war der Sohn von Heinrich XI und führte das Gut Angern in der Übergangszeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Er bekleidete das Amt eines kurbrandenburgischen Hauptmanns, unter anderem für Angern und Falkenberg. Aus seiner Amtszeit sind keine größeren baulichen Aktivitäten oder Veränderungen überliefert. Die Verwaltung des stark geschwächten Besitzes blieb von den Kriegsfolgen geprägt, es gibt jedoch keine Hinweise auf Expansionen oder wirtschaftliche Erneuerungen. Henning Christoph starb bereits 1683, wodurch sein Sohn Heinrich Hartwig das Gut in noch jungen Jahren übernahm.
Heinrich Hartwig I (1677-1734), Sohn von Henning Christoph, trat das Erbe des Angerner Ritterguts zu Beginn des 18. Jahrhunderts an. Er diente zunächst im sardinischen Militärdienst und war als Offizier unter dem Herzog von Savoyen aktiv. Seine Rückkehr nach Angern fiel in eine Phase wachsender finanzieller Schwierigkeiten des Guts. Zwar leitete er offenbar erste Maßnahmen zum Ausbau der Wohnanlage, doch führten ausbleibende Einnahmen und Überschuldung zur wirtschaftlichen Krise. Nach seinem Tod 1734 wurde das Gut 1736 offiziell für zahlungsunfähig erklärt. Dieses Ereignis markierte das Ende des Besitzes durch die direkte Linie – erst Christoph Daniel von der Schulenburg konnte es 1738 aus der Konkursmasse herauslösen und neu ordnen.
Diese drei Generationen markieren den Übergang von der kriegsbedingten Zerstörung zur barocken Umgestaltung des Guts – jedoch erst nach dem faktischen Ende der direkten Erblinie. Die Wiederherstellung gelang nicht der Linie selbst, sondern deren Nachfolger.
Die Rettung brachte Christoph Daniel von der Schulenburg (1679–1763), ein sardinischer General. Er kaufte 1738 das gesamte Rittergut – einschließlich der drei vormals getrennten Anteile („Burghof“, „Alt-Hansen’s Teil“ und „Vergunst“). Bereits zwischen 1736 und 1745 errichtete er das Wasserschloss Angern in barockem Stil. 1762 setzte er es als Fideikommiss testamentarisch fest, um den Familienbesitz auch künftig zu sichern .
Alexander Friedrich Christoph Graf v.d. Schulenburg (1720-1801) war der Neffe und Erbe des kinderlosen Christoph Daniel von der Schulenburg, der das Rittergut Angern 1738 konsolidiert und als barockes Wasserschloss neu aufgebaut hatte. Alexander wurde im Jahr 1753 aufgrund seiner militärischen Verdienste in den preußischen Grafenstand erhoben. Er trat das Gut als Majorat an, das durch das Fideikommiss von 1762 gesichert worden war. Während seiner Amtszeit wurden die Wirtschaftsgebäude erweitert und der barocke Gutskomplex funktional ausgebaut. Alexander verband damit die militärische Karriere im preußischen Dienst mit einer wirtschaftlich nachhaltigen Gutsherrschaft. Mit ihm festigte sich die Stellung der Familie als preußischer Landadel mit zentralem Stammsitz in Angern.
Edo Friedrich Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (1816–1904) war direkter Nachkomme Alexanders und verwaltete das Gut Angern im 19. Jahrhundert. Er war Jurist, Landrat des Kreises Wolmirstedt (1852–1869) und Mitglied des Preußischen Herrenhauses. Im Jahr 1843 ließ er die barocke Schlossanlage umfassend im klassizistischen Stil umgestalten: Die Fassade erhielt ein flach geneigtes Dach und die Gliederung einer römischen Villa. Dabei wurden die barocken Raumstrukturen im Innern weitgehend erhalten. Besonders hervorzuheben sind das zentrale Treppenhaus mit Supraporten, stuckierten Wänden im Rokoko-Stil sowie erhaltene Dielen- und Kassettendecken. Edo Friedrich war maßgeblich für die repräsentative Modernisierung des Schlosses verantwortlich und sicherte damit die strukturelle Erhaltung des Anwesens bis zur Enteignung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Nach ihm folgte Friedrich Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (1769–1821), der als Jurist und Regierungspräsident der Provinz Sachsen auch das Schloss erweitert – so etwa in klassizistischem Stil um 1843 durch Landrat Edo (Edo Friedrich Christoph Daniel) .
Im 20. Jahrhundert blieb das Anwesen traditionell in Händen der Familie – bis zur enteignung durch die Bodenreform 1946/49. Erst Alexander Graf von der Schulenburg (heutiger Besitzer) konnte das Schloss 1997 zurückkaufen und sanieren. Seit 2000 ist es wieder Familienwohnsitz, beherbergt Veranstaltungen, Mietwohnungen und ein Konzept für ökologische Land- und Forstwirtschaft .
Dezentralisierung durch Einzelerwerbungen
Im 16. Jahrhundert verstärkte sich dieser Prozess. Zahlreiche Einzelerwerbungen wie Altenhausen (1485), Osterwohle (1499), Hehlen (1570) oder Schochwitz (1573) zeugen von der wachsenden Selbstständigkeit einzelner Linien und Äste. Diese Dezentralisierung wurde durch Erbteilungen, Verkäufe und das Ausscheiden ganzer Linien aus dem Mitbesitz an zentralen Stammgütern wie Beetzendorf oder Angern weiter forciert. Während also die formale Belehnung oft weiterhin in Gesamthand erfolgte – etwa bei Angern – erodierte die faktische Einheit des weißen Stammes zunehmend. Besitzrechte wurden intern übertragen oder an verwandte Linien verkauft, was zu einem komplexen Geflecht überlappender Herrschafts- und Besitzverhältnisse führte.
Konsolidierung und Niedergang einzelner Linien
Kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg erlebte der weiße Stamm seine größte Ausdehnung: Die ältere Linie war u. a. auf Osterwohle, Hehlen und Angern-Vergunst vertreten; die mittlere Linie auf Reinsdorf, Schochwitz und Erdeborn; die jüngere Linie auf Altenhausen, Emden und Burg Angern. Doch dieser Höhepunkt markierte auch den Wendepunkt.
Die Geschichte des altmärkischen Adelsgeschlechts von der Schulenburg ist durch tiefgreifende Zäsuren, dynastische Verzweigungen und weitreichende territoriale Transformationen geprägt. Im Schatten der Linien Altenhausen, Emden oder Beetzendorf trat die Linie Angern lange Zeit weniger hervor, obgleich sie in der Nachkriegszeit des Dreißigjährigen Krieges eine entscheidende Rolle für das Fortbestehen der jüngeren Linie des weißen Stammes spielte. Der zentrale Akteur dieser Übergangsphase war Heinrich XI. von der Schulenburg (*1621, † nach 1685), der als einziger überlebender Sohn Hennings III. inmitten tiefgreifender ökonomischer, sozialer und politischer Umbrüche die Güter Angern, Kehnert und Schricke erbte – in einem Zustand weitgehender Verwüstung. Während Altenhausen unter Matthias V. zum Sitz eines gebildeten und politisch ambitionierten Landrats wurde, der sich frühzeitig mit dem schwedischen Königreich arrangierte, blieb Angern unter Henning II. von den Zerstörungen des Krieges besonders schwer betroffen.
Heinrich XI. ist eine jener historischen Persönlichkeiten, die nicht durch spektakuläre Taten, sondern durch stille Beharrlichkeit wirken. In einer Epoche des Zusammenbruchs und der territorialen Neustrukturierung des Heiligen Römischen Reiches gelang es ihm, unter existenziellen wirtschaftlichen Zwängen und trotz des Verlusts an regionaler Machtposition den dynastischen Fortbestand seiner Linie zu sichern. Weder als Bauherr, noch als politischer Entscheidungsträger oder Offizier hervorgetreten, war er dennoch Ausgangspunkt für die spätere Ausdifferenzierung dreier Zweige des Astes Angern – darunter auch die Linie seines Sohnes Levin Friedrich I., der später mit Burgscheidungen ein eigenes Fideikommiss begründete.
Die vorliegende biografische Untersuchung widmet sich daher nicht einer glänzenden Individualbiografie, sondern einer exemplarischen Adelsfigur des strukturellen Wiederaufbaus: Sie verfolgt die Herkunft, das familiäre Umfeld, die ökonomische Notlage, die juristischen Auseinandersetzungen und schließlich die genealogische Weichenstellung Heinrichs XI., die nicht zuletzt durch die langjährige Lehensklage gegen den brandenburgischen Kurstaat besondere historische Relevanz gewinnt. Der biografische Zugang wird dabei durch archivalische Quellen – insbesondere aus dem Gutsarchiv Angern (Rep. H) –, familiengeschichtliche Darstellungen und regionale Überlieferung gestützt.
Im Ergebnis steht eine differenzierte Perspektive auf ein Leben, das zwischen Verlust und Behauptung oszillierte – ein exemplarischer Fall für das Selbstverständnis und die Strategien des niederen Adels im Übergang vom konfessionellen Zeitalter zur frühabsolutistischen Landespolitik.
Kinder und ihre Karrieren
Familiärer Rahmen: Zahlreiche Nachkommenschaft bei eingeschränkten Mitteln: Die Ehe Heinrichs XI. mit Ilse Floria von dem Knesebeck war mit 16 Kindern außergewöhnlich kinderreich – darunter 10 Söhne und 6 Töchter. Vier Kinder starben früh, zwei weitere Söhne fielen in jungen Jahren im Krieg. Die Ressourcen des Hauses Angern reichten bei Weitem nicht aus, um allen Söhnen eine standesgemäße Ausbildung oder Versorgung zu ermöglichen. Der Familienvater konnte aufgrund seiner eigenen wirtschaftlich bedrängten Lage keine umfassende akademische Erziehung gewährleisten, wie sie im aufstrebenden brandenburg-preußischen Staatswesen zunehmend erwartet wurde. Dennoch gelang es mehreren Söhnen, durch pragmatische Anpassung, militärischen Dienst und kluge Eheschließungen eine eigenständige Position aufzubauen. Die Geschicke der überlebenden Söhne begründeten drei eigenständige Linien des Astes Angern, die das Familienerbe auf neue Weise fortführten.
Universitätsaufenthalte unter erschwerten Bedingungen: Eine der wenigen belegten Bildungsmaßnahmen ist der kurze Aufenthalt von Henning Christoph und Matthias Daniel II. im Jahr 1662 an der Universität Helmstedt. Dort wurden sie als Studenten „deponiert“, was im frühneuzeitlichen Sprachgebrauch vor allem die Einschreibung unter Vormundschaft bedeutete – ohne zwingend eine aktive akademische Laufbahn einzuschlagen. Es handelte sich eher um eine gesellschaftlich motivierte Formalität denn um eine wissenschaftliche Ausbildung im engeren Sinne. Nur Joachim Ludolf, der vierte Sohn, scheint ein abgeschlossenes Studium absolviert zu haben, was sich später in seiner Verwaltungskarriere niederschlug. Diese geringe akademische Prägung unterscheidet den Angernschen Zweig deutlich von anderen Linien des Hauses Schulenburg, etwa Altenhausen oder Beetzendorf, die im 17. Jahrhundert mehrere Gelehrte, Juristen und Offiziere mit universitärer Ausbildung hervorbrachten.
Militärdienst als Lebensweg: Sieben der acht überlebenden Söhne schlugen eine militärische Laufbahn ein. Davon wurden fünf Berufssoldaten, meist in brandenburgischen, braunschweigischen oder savoyischen Diensten. Dies war einerseits Ausdruck mangelnder wirtschaftlicher Alternativen, andererseits entsprach es der wachsenden Bedeutung des Offiziersstandes im entstehenden Absolutismus. Der Eintritt in fremde Dienste – etwa in Italien oder beim Herzog von Braunschweig – bot auch nichtvermögenden Adelssöhnen eine Möglichkeit zum Aufstieg. Die militärischen Karrieren dieser Generation standen jedoch meist im Schatten größerer Namen. Nur Levin Friedrich I. (Nr. 765), der jüngste dokumentierte Sohn, trat aus dieser Reihe hervor und wurde durch seine Erfolge in savoyischen Diensten, seine Rolle bei der Verteidigung von Turin (1706) und den späteren Erwerb von Burgscheidungen zu einer der markantesten Persönlichkeiten des gesamten Hauses,
Begründung der drei Zweige des Astes Angern
Trotz schwieriger Ausgangsbedingungen gelang es drei Söhnen Heinrichs XI., den Familienzweig in eigenen Linien fortzuführen:
a) Älterer Zweig Angern – Henning Christoph (Nr. 752)
- Henning Christoph von der Schulenburg (* 1648/1649, Angern – † 27.12.1683, Staßfurt) (Nr. 752), der als ältester Sohn den Hof übernimmt und das Erbe fortsetzt, wurde kurbrandenburgischer Hauptmann und ist der Stammvater des bis in das 19. Jahrhundert fortbestehenden älteren Zweigs Angern.
- Verheiratet mit Marie Dorothea von Legat
- Starb mit nur 34 Jahren
- Begründete die bis ins 19. Jahrhundert fortbestehende Hauptlinie Angern
b) Mittlerer Zweig – Joachim Ludolf (Nr. 762)
- Joachim Ludolf von der Schulenburg (* 28.12.1664, Angern – † 09.12.1740) (Nr. 762), trat nach militärischem Dienst in den Verwaltungsdienst ein, wurde Geheimer Kriegsrat und gründete den später 1815 erloschenen mittleren Zweig.
- Ab 1719: Geheimer Kriegsrat im Kommissariat zu Magdeburg
- 1721 ehrenvoll verabschiedet
- Begründer des 1815 erloschenen mittleren Zweigs
- Verheiratet mit Marie Cäcilie Elisabeth von Schwarzkopf
- Erwarb das Gut Ütz 1716/17; verkaufte Schricke (ging 1738 in Konkurs)
c) Jüngerer Zweig – Heinrich XII. (Nr. 764)
- Heinrich XII. von der Schulenburg (* 07.02.1668, Angern – † 28.01.1702) (Nr. 764), erhielt bei der Erbteilung eine finanzielle Abfindung und ließ sich in Kehnert nieder; sein Zweig, der jüngere, ist heute erloschen.
- Bei der Erbteilung 1693 mit einem Lehnskapital abgefunden
- Wahrscheinlich Wohnsitz in Kehnert
- Verheiratet mit Dorothea Emmerentia von Münchhausen
- Dieser Zweig erlosch im 19. Jahrhundert
Soziale Verbindungen und Heiratsverhalten: Eine auffällige Beobachtung im Vergleich mit parallelen Schulenburg-Linien ist das Fehlen von Heiratsverbindungen mit den führenden altmärkischen oder magdeburgischen Adelsfamilien. Die Ehen blieben in der Regel auf mittelständische Adelskreise beschränkt. Dies spiegelt sowohl die begrenzte soziale Reichweite des Angernschen Zweigs in der Spätphase Heinrichs XI. als auch die sinkende Attraktivität des Hauses für strategische Allianzen wider. Die Eheverbindungen dienten somit eher der Stabilisierung als der Expansion.
Vereinigung auf einen Zweig
Christoph Daniel von der Schulenburg (1679–1763), der als General in sardischen Diensten ein beträchtliches Vermögen erworben hatte, nutzte seine finanziellen Ressourcen gezielt zur Rückführung der zersplitterten Familiengüter in Angern. Im Jahr 1735 erwarb er zunächst den Burghof sowie die Anteile der Witwe und der Söhne seines Bruders Heinrich Hartwig von der Schulenburg für 34.036⅔ Reichstaler und sicherte sich damit den Besitz des jüngeren Zweigs. Drei Jahre später, 1738, folgte der Ankauf von Gut Vergunst samt dem sogenannten „Alt-Hansens-Teil“ von Graf Adolf Friedrich von der Schulenburg aus der Beetzendorfer Linie für 50.000 Reichstaler. Durch diese beiden gezielten Erwerbungen vereinte Christoph Daniel erstmals seit Jahrhunderten alle drei vormals getrennt geführten Besitzkomplexe – Burghof, Alter Hof und Gut Vergunst – unter einer einheitlichen Herrschaft. Um diesen Status dauerhaft zu sichern, stiftete er den vereinigten Besitz als Fideikommiss, sodass das Gut als unteilbares Familienvermögen über Generationen weitervererbt werden konnte.
Zusammenfassung: Die Kinder Heinrichs XI. setzten unter schwierigen Rahmenbedingungen die Existenz des Hauses Angern fort. Trotz fehlender Mittel für umfassende Ausbildung oder standesgemäße Versorgung entwickelten sich drei eigenständige Linien, die das Überleben des Zweigs bis ins 19. Jahrhundert sicherten. Die militärische Ausrichtung, der Verzicht auf universitäre Laufbahnen sowie das Fehlen glanzvoller Heiratsverbindungen zeigen jedoch eine Transformation der adeligen Lebensführung im 17. Jahrhundert, die stärker von Anpassung, Mobilität und pragmatischer Lebensführung geprägt war als von Repräsentation oder Traditionsbewahrung.
Quelle
- Graf von der Schulenburg, Dietrich Werner / Wätjen, Hans: Geschichte des Geschlechts von der Schulenburg (1237–1983), Wolfsburg: Selbstverlag, 1984 – eine umfassende Familiengeschichte mit detaillierten genealogischen, historischen und besitzgeschichtlichen Darstellungen, insbesondere zur Teilung des weißen Stammes und zur Rolle Busso I. von der Schulenburg.